Die Zeugen Jehovas der Niederlande haben gegen den Staat geklagt, weil dieser eine Untersuchung zum Umgang der Gemeinschaft mit sexualisierter Gewalt gegen Kinder in Auftrag gegeben hatte. Die Zeugen Jehovas haben diese Klage verloren, wie am 13. Dezember 2023 bekannt wurde.
Zur Vorgeschichte
In den Niederlanden gründeten im Jahr 2018 ehemalige Zeugen Jehovas eine
Organisation für Betroffene von sexuellem Kindesmissbrauch – Reclaimed
Voices. Innerhalb kurzer Zeit sammelte die Organisation 276 Berichte über sexualisierte Gewalt gegen Kinder innerhalb der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas. Dazu gib es diese sehr empfehlenswerte Dokumentation mit deutschen Untertiteln.
Die schiere Anzahl von Betroffenen und auch ihre Geschichten bewegten die niederländische Öffentlichkeit sowie die Politik. In der Folge wurde die niederländische Regierung aktiv und forderte die Zeugen Jehovas auf, eine eigene unabhängige Untersuchung einzuleiten, was die Organisation verweigerte. Aus diesem Grund beauftragte die niederländische Regierung die Universität Utrecht, Vorfälle von sexualisierter Gewalt gegen Kinder sowie den Umgang der Organisation damit zu untersuchen.
Mindestens 751 Rückmeldungen wurden von der Universität Utrecht untersucht, s. diesen Artikel im Tagesspiegel vom Januar 2020. Die Zeugen Jehovas versuchten diesen Bericht – hier die deutsche Übersetzung der Zusammenfassung – zur Untersuchung im Januar 2020 gerichtlich zu verhindern, hatten aber keinen Erfolg. Der Bericht stellte der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas das denkbar schlechteste Zeugnis im Umgang mit sexualisierter Gewalt gegen Kinder aus.
Im April 2021 wurde bekannt, dass die Organisation der Zeugen Jehovas
versuchte, an die Gesprächsprotokolle der von Missbrauch Betroffenen, die gegenüber der Universität Utrecht Auskunft gegeben hatten, heranzukommen, was der Organisation jedoch verwehrt wurde.
Die Zeugen Jehovas haben schließlich den Staat Niederlande verklagt wegen der in Auftrag gegebenen Untersuchung durch die Universität Utrecht, aber verloren, wie am 13. Dezember 2023 bekannt wurde. Siehe dazu den Artikel unten.
Gericht: Minister hat Zeugen Jehovas nicht diskriminiert
13. Dezember 2023
Artikel bei rtv drenthe
Übersetzung durch JZ Help
Der Minister für Justiz und Sicherheit hat die Zeugen Jehovas nicht diskriminiert, indem er 2018 und 2019 nur sie wegen des Umgangs mit Beschwerden über sexuellen Missbrauch innerhalb der Gemeinschaft überprüfen zu lassen. Dies hat das Gericht in Den Haag heute entschieden.
Nach Ansicht des Gerichts war es nicht notwendig, eine solche Untersuchung auch bei anderen kirchlichen Organisationen durchzuführen,
da es zu diesem Zeitpunkt keine Anzeichen dafür gab, dass der Umgang mit
solchen Beschwerden dort nicht in Ordnung war.
Die Zeugen Jehovas haben den niederländischen Staat wegen
Diskriminierung verklagt, wie die Zeitschrift Trouw Anfang dieser Woche
berichtete. Der Grund: Nur ihr Umgang mit sexuellem Missbrauch wurde von der Regierung untersucht, während andere religiöse Gruppen außenvor gelassen wurden. Der ehemalige Justizminister Sander Dekker hatte dies angeordnet. Die Zeugen Jehovas haben in den Niederlanden etwa 30.000 Mitglieder und ihren Hauptsitz in Emmen.
Stigmatisierung
Die Zeugen Jehovas waren der Ansicht, dass Dekker sich stigmatisierend über sie geäußert und durch die von ihm vorgeschlagenen Maßnahmen mehrere Grundrechte verletzt habe, nachdem die Universität Utrecht
die Untersuchung durchgeführt hatte. Das Gericht befand, dass die Äußerungen des ehemaligen Ministers im Rahmen des Zulässigen lagen, auch wenn sie kritisch waren, wie aus dem Urteil hervorgeht.
Die Studie, um die sich dieser Rechtsstreit dreht, erschien 2020, nachdem aufgedeckt worden war, dass der Umgang mit Missbrauchsfällen
innerhalb der Zeugen Jehovas zu wünschen übrig ließ. Laut den Opfern hatte die Handhabung mit der geschlossenen Kultur bei den Zeugen Jehovas zu tun. Die Glaubensgemeinschaft war mit den Schlussfolgerungen der Untersuchung überhaupt nicht einverstanden und versuchte, die Veröffentlichung des Berichts zu verhindern, verlor aber in der Berufung.
Maßnahmen gerechtfertigt
Minister Dekker war enttäuscht, dass der Vorstand der Zeugen Jehovas selbst keine Maßnahmen ergreifen wollte, um den Umgang mit Beschwerden über sexuellen Missbrauch zu verbessern. Er habe sich im Repräsentantenhaus dazu geäußert und genieße dort Immunität, sagte der Richter.
Die Zeugen Jehovas wollten ein Verbot von Äußerungen, Strategien oder Maßnahmen, die auf dem Bericht der Universität basieren. Der Richter erklärte jedoch, die vorgeschlagenen Maßnahmen seien gerechtfertigt und
ausreichend sorgfältig ausgearbeitet.