Anzeigen, Abmahnungen und Gerichtsurteile

Jehovas Zeugen versuchen immer wieder durch Anzeigen und Abmahnungen Personen und Organisationen, die über Missstände berichten, ruhig zu stellen.

Dabei werden häufig angeblich unwahre Tatsachenbehauptungen kostenpflichtig abgemahnt oder sogar angezeigt, die jedoch im Religionsrecht von Jehovas Zeugen klar und deutlich festgelegt sind. Jehovas Zeugen KdöR haben dabei versucht Widersprüche in ihren Publikationen, und damit im Religionsrecht, zu nutzen, um die Gegenseite und die Justiz zu täuschen.

Die uns vorliegenden Unterlassungserklärungen wurden überwiegend von Rechtsanwalt Armin Pikl von der Kanzlei Saßnick Moritz Pikl Winterlich in Hofheim am Taunus verschickt. Er ist selbst Zeuge Jehovas laut einem Interview in einer Fernsehsendung und sollte deshalb bestens mit den Interna vertraut sein. Deshalb stellt sich die Frage, warum er trotzdem Aussagen abmahnt, die in den eigenen Publikationen und damit im Religionsrecht begründet sind.

Interessant dabei ist, dass insbesondere Themen abgemahnt werden, die die Rechtstreue der KdöR in Frage stellen könnten.

Vorliegende Gerichtsurteile

Im deutschsprachigem Raum liegen uns die folgenden Gerichtsurteile vor:

Hamburger Gericht bestätigt: Kritik an Jehovas Zeugen ist zulässig (FECRIS)
Entfremdung von Gesellschaft und Staat, Jehovas Zeugen missachten fundamentale Menschenrechte, Verweigerung von Bluttransfusionen bei Kindern ist ein Verbrechen – Annahme einer Bluttransfusion führt zum Ausschluss, Aussteiger/innen werden geächtet – auch innerhalb der Familie, Mitglieder werden durch Aufseher kontrolliert, Frauen müssen sich unterordnen.

Landgericht Hamburg bestätigt Aussagen zum Missbrauch bei den Zeugen Jehovas (BR)
Kein Fall in Australien wurde der Polizei durch die Organisation gemeldet, Sanktionen wegen Verleumdung, Gewalt in der Ehe ist kein Scheidungsgrund (18.03.2022)

Schweizer Gericht bestätigt: Kritik an Jehovas Zeugen ist berechtigt (Spiess)
Die Praxis der Ächtung existiert und ist, zumindest im Ansatz, menschenrechtsverletzend, auch Kinder sind von Ächtung betroffen,
die Zwei-Zeugen-Regel begünstigt sexuelle Gewalt gegen Kinder, 
das Bluttransfusionsverbot führt zu Todesfällen,
psychische Gewalt durch Ächtung, soziale Gewalt durch Druck, Manipulation, Bestrafung und Ausschlussmentalität,
Wachtturm-Materialien zielen auf Verängstigung der Kinder.

Beispiele aus uns vorliegenden Abmahnungen

Die Nummern in Klammern am Ende jeden Zitats aus einer Abmahnung ist die Referenz auf den entsprechenden Schriftverkehr, der uns vorliegt, den wir aber natürlich nicht öffentlich machen können.

Ächtung und Kontaktverbot

Widerspruch zum Kontaktverbot und sozialer Ächtung ausgeschlossener Familienangehöriger

Abmahnung:
„Die Aussage, dass zu abtrünnigen und damit zu ausgetretenen oder ausgeschlossenen Familienmitliedern kein Kontakt gepflegt werden darf, ist unwahr. Sie ist ferner der religiösen Lehre unserer Mandantschaft direkt entgegengesetzt … Durch die Verbreitung solcher unwahrer Behauptungen wird der Eindruck erweckt, die religiösen Lehren unserer Mandantschaft würden den Familienzusammenhalt stören.“

Das Landgericht Hamburg mit Urteil vom 27.11.2020 hat die Behauptung der Zeugen Jehovas verworfen (1.26).

Die Publikationen der Wachtturm Gesellschaft und die Erfahrungen vieler Betroffener bestätigen Ächtung und Kontaktverbot auch im Familienkreis, wobei auch Kinder davon betroffen sind.
Hier finden Sie weitergehende Infos zu Ächtung und Kontaktverbot.

Widerspruch zur Ächtung von Aussteigern

„‚Jeder einzelne Zeuge, der die Bewegung aus Gewissensgründen verlässt … als Häretiker gebrandmarkt wird.‘
Abmahnung:
Die Aussage, dass ausgetretene oder ausgeschlossene Mitglieder von unserer Mandantschaft und ihren Mitgliedern als ‚Häretiker‘ oder gemäß dem Religionsrecht unserer Mandantschaft als ‚Abtrünnige‘ gebrandmarkt werden, ist unwahr. Erst wenn sich jemand zum aktiven Bekämpfer der Glaubenslehren unserer Mandantschaft macht, betrachten diese ihn unter Umständen als Abtrünnigen. Die oben genannte Äußerung ist somit unwahr“

Das Landgericht Hamburg mit Urteil vom 27.11.2020 hat die abgemahnte Äußerung als zulässig bewertet (1.23, 1.27).

Tatsächlich müssen alle Aussteiger/innen geächtet und der Kontakt zu ihnen völlig abgebrochen werden, wie das eigene Religionsrecht und Erfahrungsberichte Betroffener belegen.

Blutverbot

Widerspruch zum Bluttransfusionsverbot

„‚In Wirklichkeit erfolgt Ausschluss durch die Bewegung aus vielen verschiedenen Gründen … wegen der Annahme einer Bluttransfusion‘
Abmahnung:
Diese Behauptung ist unzutreffend. Das Religionsrecht unserer Mandantschaft kennt kein Gemeinschaftsentzugsverfahren, nur weil sich ein Zeuge Jehovas Blut übertragen lässt. Dies hat das OVG Berlin in seinem Urteil vom 24.03.2005 (Az.: OVG 5 B 12.01) bereits bestätigt.
Es sei ebenso darauf hingewiesen, dass es wegen dieser unwahren Behauptung schon wiederholt zu presserechtlichen Auseinandersetzungen gekommen ist, bei denen sich die betroffenen Verlage auf Hinweis unserer Mandantschaft hin der Unwahrheit dieser Aussage bewusst wurden.“ (3)

Das Landgericht Hamburg mit Urteil vom 27.11.2020 hat die abgemahnte Äußerung als zulässig bewertet (1.24).

In den geheimen Anweisungen des Religionsrecht heißt es, dass nach Verabreichung einer Bluttransfusion ein Komitee darüber entscheidet, ob der/die Betreffende weiterhin ein Zeuge Jehovas ist.
„Willigt jemand in eine Bluttransfusion ein, sollte ein Komitee den Sachverhalt und die Einstellung des Betreffenden feststellen … Stellt das Komitee fest, dass keine Reue vorliegt, lässt es bekannt geben, dass der Betreffende kein Zeuge Jehovas mehr ist“ (Ältestenbuch sfl-X, Feb. 2019, Kap. 18, Punkt 3)

Interne, geheime Handlungsanweisungen und die Erfahrung Betroffener zeigen klar, dass ein getaufter Zeuge Jehovas, der eine Bluttransfusion annimmt und nicht bereut, ausgeschlossen und geächtet wird.

Äußerst verstörend ist an der Aussage der Anwälte der Jehovas Zeugen, dass sie damit aus unserer Sicht offensichtlich mehrfach Verlage damit zu unrecht abgemahnt haben.

Widerspruch zu Todesopfern des Blutverbots

„‚Es sterben immer wieder Gläubige nach Verkehrsunfällen oder Frauen bei einer Geburt.‘
Abmahnung:
Diese Aussage wird in Verbindung mit dem weltweiten bekannten Standpunkt der Zeugen Jehovas zu Bluttransfusionen gemacht. Die Beschuldigte behauptet demnach, dass Zeugen Jehovas, die medizinische Behandlung ohne Bluttransfusionen wählen, immer wieder nach Verkehrsunfällen oder bei einer Geburt wegen einer Verweigerung von Bluttransfusionen sterben. Diese Aussage entbehrt jeglicher Grundlage und ist unwahr … Mediziner bestätigen weltweit, dass Zeugen Jehovas aufgrund ihres Standpunktes oft im Vorteil sind … Etwas gegenteiliges zu behaupten, ist aus diesem Grund ein gemeiner Versuch der Beschuldigten die Antragsteller in der Öffentlichkeit als eine gefährliche und fanatische Religionsgemeinschaft darzustellen.“ 

Ein Schweizer Gericht hat im Urteil vom 9. Juli 2019 festgestellt, dass die Aussage über Todesopfer aufgrund des Blutverbots zulässig ist. Es gibt eine Vielzahl von Belegen über Todesopfer bei Jehovas Zeugen wegen der Verweigerung einer Bluttransfusion, sogar in den eigen Publikationen.

Kindesmissbrauch

Widerspruch zur Anzahl des Kindesmissbrauchs in Australien

„‚In Australien konnten rund 1.000 Täter ermittelt werden, die 1.800 Kinder missbraucht hatten.‘
Abmahnung:
Die Aussage … – so als ob es sich um bereits festgestellte Tatsachen handelt – ist unwahr und zudem eine schwere Verleumdung.“ (31)

Dagegen wird in einer Fernsehsendung von CNN davon gesprochen, dass durch die Repräsentanten der Zeugen Jehovas in Australien selbst über 1.000 Mitglieder als Kindesmissbraucher identifiziert wurden. In der Abmahnung wird darauf bestanden, dass es sich „nur um mutmaßliche Täter und Opfer“ handelt.

Das Landgericht Hamburg hat mit Urteil 324 O 296/21 am 09.09.2022 (noch nicht rechtskräftig) dem Widerspruch stattgegeben:
„Es ist unstreitig, dass die Zahlen, die aus dem Bericht einer Australischen Kommission stammen, sich auf mutmaßliche Täter und mutmaßliche Opfer beziehen und nicht aufgrund von Ermittlungen bestätigt wurden. Vielmehr heißt es im Bericht der Kommission, dass es keinen Nachweis für die Zahl von 1.800 Opfern gebe („there was no evidence before the Royal Commission that there were 1,800 victims“).“

Widerspruch, dass wegen Zwei-Zeugen-Regel Missbrauch nicht zur Anzeige gebracht wird

„’Fakt ist aber, dass die Zwei-Zeugen-Regel dazu führt, dass Kindesmisshandlung und Kindesmissbrauch vertuscht werden kann, nicht zur Anzeige gebracht wird. […] Dass die vertröstet werden, mit den Worten, sie sollen das alles Jehova im Gebet darlegen und dann wird sozusagen der Fall abgeschlossen.‘
Abmahnung:
soweit damit behauptet wird, dass – bezogen auf Kindesmisshandlung und Kindesmissbrauch – nichts zur Anzeige gebracht wird, wenn nicht zwei Zeugen für die Tat vorhanden sind.“ (32)

Das Landgericht Hamburg hat mit Urteil 324 O 296/21 am 09.09.2022 (noch nicht rechtskräftig) die Klage abgewiesen.
„Die Formulierung des Klageantrags […] deckt sich insoweit nicht mit der tatsächlichen Äußerung, in der es heißt: „Fakt ist aber, dass die Zwei-Zeugen-Regel dazu führt, dass Kindesmisshandlung und Kindesmissbrauch vertuscht werden kann, nicht zur Anzeige gebracht wird“. Das Verständnis der Äußerung geht demnach dahin, dass die Zwei-Zeugen-Regel dazu führe, dass Misshandlungen vertuscht werden können, und in solchen Vertuschungsfällen die Misshandlung nicht zur Anzeige gebracht werde, nicht hingegen, dass „nichts“ zur Anzeige gebracht werde.
Für die Wertung, dass die Regelungen dazu führten, dass Kindesmisshandlung und Kindesmissbrauch vertuscht werden könne und die Opfer vertröstet würden, bestehen im Hinblick auf die Veröffentlichung der Klägerin aus dem Jahr 2012 mit dem Titel „Hütet die Herde Gottes“ auch hinreichende Anknüpfungspunkte […]
Die Stellungnahme „Der biblische Standpunkt von Jehovas Zeugen zum Schutz von Kindern“ sei Teil des Religionsrechts der Klägerin. Die Kammer kann vor diesem Hintergrund nicht erkennen, dass die in dem Buch „Hütet die Herde Gottes“ unstreitig enthaltenen Inhalte keine hinreichenden Anknüpfungspunkte für die Äußerung darstellen. Wenn – so der Vortrag der Klägerin – beide Verlautbarungen Teil des Religionsrechts der Klägerin sind und damit eine Verlautbarung gerade nicht an die Stelle der anderen Verlautbarung tritt, bedeutet der Umstand, dass es eine inhaltliche Diskrepanz zwischen den Veröffentlichungen gibt, nicht, dass die Inhalte aus dem Buch „Hütet die Herde Gottes“ nicht mehr als Anknüpfungspunkt für die Äußerung dienen können. Soweit die Klägerin die Stellungnahme als „lex specialis“ gegenüber dem Buch einordnet, liegt hierin eine von der Klägerin vorgenommene Wertung, die nicht zwingend ist und die von anderen auch nicht geteilt werden muss.“

Widerspruch zum Ausschluss wegen Verleumdung

„’Fakt ist aber, dass […] den Betroffenen von sexueller Gewalt oder Gewalt an sich der Mund verboten wird.
Aber letztendlich, wenn ein Opfer weiter darüber gesprochen hat, dann ist es zum Ausschluss gekommen wegen Verleumdung.
Das genau ist die Praxis. Und wer redet, bekommt Druck und wird ausgeschlossen.
Abmahnung:
Diese Behauptung ist unwahr. Tatsache ist, dass Vorwürfe von Kindesmissbrauch sehr wohl dem vorgenannten berechtigten Personenkreis gegenüber frei geäußert werden dürfen und dies niemals zu Sanktionen führt.“ (33)

Das Landgericht Hamburg hat mit Urteil 324 O 296/21 am 09.09.2022 (noch nicht rechtskräftig) die Klage abgewiesen.
„Die Äußerungen sind zulässig. Ihnen liegen im Kern Tatsachenbehauptungen zu Grunde, nämlich die Behauptungen, dass Betroffene von der Religionsgemeinschaft auf verschiedene Weise sanktioniert worden seien […] Die Beklagte hat einen Fall geschildert, wonach Eltern eines Mädchens aus der Glaubensgemeinschaft ausgeschlossen worden seien, weil sie Anzeige gegen den Zeugen Jehova Jonathan Rose erhoben hätten […]“


„Weil in dem Moment, wenn man die Polizei einschaltet, obwohl man jemanden nichts nachweisen kann, sehen die das aus einer anderen Sicht, die sagen, dann liegt ein Fall der Verleumdung vor.“

Landgericht Hamburg mit Urteil 324 O 435/21 vom 18.03.2022:

Abmahnung:
„Die […] Äußerung sei unwahr. Eine Strafanzeige bei der Polizei wurde von der Klägerin (ZJ) noch nie als ein Fall von Verleumdung betrachtet. Dies gelte erst recht für Fälle des Kindesmissbrauchs, unabhängig davon, ob die Vorwürfe fundiert seien oder nicht.“

Urteil:
„[…] besteht kein Unterlassungsanspruch der Klägerin.
Soweit die Äußerung tatsächliche Elemente enthält, ist prozessual von deren Wahrheit aus zugehen.
Die Äußerung ist ingesamt meinungsgeprägt […]
Soweit […] eine Tatsachenbehauptung verbunden ist, ist diese allerdings nicht unwahr […]
Hinzu kommt, dass sich die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten (Armin Pikl) in einem Schreiben vom 10.05.2019 an den Südwestrundfunk (Verfahren 324 O 296/21) tatsächlich in ganz vergleichbarer Weise geäußert hat. […]
‚… in den Fällen, in denen ein Mitglied unserer Mandantschaft Vorwürfe von Kindesmissbrauch allgemein verbreitet und es hierzu weder ausreichende Beweise gibt noch von dem mutmaßlichen Opfer eine Strafanzeige erstattet wird bzw. Strafermittlungen eingestellt werden, das betreffende Mitglied berechtigterweise darauf hingewiesen werden muss, dass es bei weiterer Verbreitung dieser nicht bestätigen Vorwürfe sich der Gefahr der üblen Nachrede oder schweren Verleumdung aussetzt … strafrechtliche wie auch religionsrechtliche Konsequenzen haben kann …'“


Weitere Informationen zum Thema Kindesmissbrauch finden Sie hier.

Widerspruch, dass Opfer den Missbrauch vor den Ältesten in Anwesenheit des Täters schildern muss

„’Für die Opfer sexuellen Missbrauchs bedeutet das, berichten sie ihrem Gemeindevorsteher von der Tat und wird dies von dem Beschuldigten bestritten, müssen sie die Geschehnisse vor einem männlichen Gremium von Ältesten und Aufsehern, auch in Anwesenheit des Täters, nochmals schildern.‚ (34)

‚Das muss man sich mal vorstellen, vor anderen Männern muss dann eine junge Frau schildern, wie sie sexuell missbraucht worden ist.“ (35)

Abmahnung:
Diese Behauptung ist unwahr … Die Behauptung, ein minderjähriges Opfer von sexuellem Missbrauch müsse … die Geschehnisse vor den Geistlichen unserer Mandantschaft und auch in Anwesenheit des Täters schildern, ist unwahr.“

Das Landgericht Hamburg hat mit Urteil 324 O 296/21 am 09.09.2022 (noch nicht rechtskräftig) die Klage abgewiesen.
„Die Äußerungen sind zulässig. Bei den Äußerungen […] handelt es sich um Meinungsäußerungen, nämlich um rechtliche Bewertungen, welche Verpflichtungen und welche Verfahrensabläufe sich aus dem Religionsrecht der Klägerin für Missbrauchsopfer ergeben. Für diese Einschätzungen liegen auch hinreichende Anknüpfungstatsachen vor.

So heißt es in der Verlautbarung der Klägerin „Hütet die Herde Gottes“ mit der Auflage 2012: ‚Bestreitet der Beschuldigte die Tat, sollten die Beauftragten Ältesten ein Treffen mit ihm und dem Ankläger vereinbaren. (Hinweis: Handelt es sich um Kindesmissbrauch und ist derjenige, der missbraucht wurde, noch minderjährig, dann sollten die Ältesten mit dem Zweigbüro in Verbindung treten, bevor ein Treffen mit dem Kind und dem angeblichen Missbraucher vereinbart wird.) Möchte der Ankläger oder der Beschuldigte nicht mit den Ältesten zusammenkommen oder bestreitet der Beschuldigte weiterhin die Anschuldigung des einzigen Zeugen und ist die Missetat nicht nachgewiesen, überlassen die Ältesten die Angelegenheit Jehova.‘
Hieraus ergibt sich hinreichend deutlich, dass – jedenfalls nach dieser Verlautbarung der Klägerin – ein Zusammentreffen zwischen dem Missbrauchsopfer und dem Beschuldigten für den Fortgang des Verfahrens zwingend erforderlich sei. Selbst bei minderjährigen Missbrauchsopfern sollte lediglich vor einem Treffen eine Anfrage beim ‚Zweigbüro‘ erfolgen […]
Der Umstand, dass das Religionsrecht insoweit an einer Stelle eine solche, an einer anderen Stelle eine andere Aussage trifft, entwertet die Anknüpfungstatsachen für die Äußerungen nicht in einer Weise, dass die streitgegenständlichen wertenden Schlussfolgerungen unzulässig würden.“

Die abgemahnte Äußerung spricht übrigens nicht ausdrücklich von einer Minderjährigen. Vielen Opfern wird der Missbrauch erst im Erwachsenenalter bewusst.

Widerspruch zum Schreiben vom 4. Januar 2007 – Vernichtung aller Unterlagen zu Kindesmissbrauch

Ein ausführliche Abhandlung zu dem beanstandeten Brief finden Sie hier.

„Diese Behauptung ist unwahr. Einen solchen Brief hat unsere Mandantschaft niemals verfasst oder versandt. Er stellt eine plumpe Fälschung dar, die leicht erkannt werden kann … Sie versuchen damit auch vorzutäuschen, unsere Mandantschaft würde alles unternehmen, um Fälle von Kindesmissbrauch zu vertuschen … müssen Sie … auch mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen, da die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung des gefälschten Briefes bereits festgestellt ist.“ (22)

Jehovas Zeugen haben bereits mehrfach eine Veröffentlichung dieses Briefes abgemahnt. Nach unserer Kenntnis wurde bisher nicht von unabhängiger oder gerichtlicher Seite festgestellt, dass der Brief tatsächliche eine Fälschung ist, wie Jehovas Zeugen behaupten. Ein Beweis für eine gerichtliche Feststellung wird hier nicht angeführt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz kann nicht als Beweis herangezogen werden.

Unabhängig jedoch, ob der Brief echt ist oder aber eine Fälschung, passt er in das Gesamtbild, das Jehovas Zeugen abgeben. Es gibt es eine Vielzahl von Belegen und Erfahrungsberichten, dass Jehovas Zeugen systematisch Unterlagen vernichten.

Außerdem gibt es eine Vielzahl von deutlichen Hinweisen, dass der Vorwurf, Jehovas Zeugen würden Kindesmissbrauch vertuschen, durchaus begründet ist und nicht allein an dem strittigen Brief festgemacht werden kann.

Täuschung durch widersprüchliche Aussagen im Religionsrecht

In praktisch allen uns vorliegenden Abmahnungen und Schriftsätzen haben Jehovas Zeugen KdöR versucht Widersprüche in ihren Publikationen, und damit im Religionsrecht, zu nutzen, um die Gegenseite und die Justiz zu täuschen. Zitate sind jeweils aus Marketing-Broschüren und -Flyern für die Öffentlichkeit entnommen, mit denen Mitglieder geworben werden sollen, statt aus den internen und geheimen Regelung (wie z. B. dem Ältestenbuch „Hütet die Herde Gottes“) nach denen die interne Rechtssprechung und Sanktionierung der Mitglieder erfolgt und das auch vor den eigenen Mitgliedern geheim gehalten wird. Jehovas Zeugen haben dabei peinlichst vermieden aus dem Buch „Hütet die Herde Gottes“ oder aus Briefen an die Ältesten in den Schriftsätzen zu zitieren oder diese als Anlagen beizufügen.

Leider ist das Landgericht Hamburg und andere Gerichte und Institutionen (Körperschaft des öffentlichen Rechts (KdöR) in Deutschland) häufig dieser Täuschung zum Opfer gefallen.

Das Landgericht Hamburg hat nunmehr mit dem Urteil 324 O 296/21 vom 09.09.2022 (noch nicht rechtskräftig) den Widerspruch im Urteil aufgegriffen und gegen Jehovas Zeugen entschieden.

„Die Klägerin trägt in diesem Zusammenhang vor, dass sich das geltende Religionsrecht nicht allein aus dem Rückgriff auf das Buch ‚Hütet die Herde Gotte‘ ermitteln lasse, sondern dass das Buch durch ergänzende Stellungnahmen und Briefe aktualisiert worden sei. Die Veröffentlichung ‚Der biblische Standpunkt von Jehovas Zeugen zum Schutz von Kindern‘ sei insoweit lex specialis anzusehen. Das Religionsrecht ergebe sich aus der Gesamtheit der zu einem Thema veröffentlichten Publikationen und Briefe […]
Die Kammer kann vor diesem Hintergrund nicht erkennen, dass die in dem Buch ‚Hütet die Herde Gottes‘ unstreitig enthaltenen Inhalte keine hinreichenden Anknüpfungspunkte für die Äußerung darstellen. Wenn – so der Vortrag der Klägerin – beide Verlautbarungen Teil des Religionsrechts der Klägerin sind und damit eine Verlautbarung gerade nicht an die Stelle der anderen Verlautbarung tritt, bedeutet der Umstand, dass es eine inhaltliche Diskrepanz zwischen den Veröffentlichungen gibt, nicht, dass die Inhalte aus dem Buch ‚Hütet die Herde Gottes‘ nicht mehr als Anknüpfungspunkt für die Äußerung dienen können. Soweit die Klägerin die Stellungnahme als ‚lex specialis‘ gegenüber dem Buch einordnet, liegt hierin eine von der Klägerin vorgenommene Wertung, die nicht zwingend ist und die von anderen auch nicht geteilt werden muss. Dies gilt umso mehr, als auch nicht vorgetragen ist, dass das Buch ‚Hütet die Herde Gottes‘ in einer späteren Auflage inhaltlich an die Stellungnahme angepasst worden wäre und die fraglichen Passagen nun nicht mehr enthalte.“

Jehovas Zeugen vs. EZW

Im September 2021 hat die Religionsgemeinschaft Jehovas Zeugen 10 Aussagen der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen im EZW-Text 255 von 2018 als unwahre Tatsachenbehauptungen juristisch angegriffen. Am 09.09.2022 kam es zu einem Vergleich vor dem Landgericht Hamburg.

Von den 10 als unwahr angemahnten Aussagen, unter anderem zum Thema Kindererziehung, Familienfeiern, Organspenden, Rechtstreue der Religionsorganisation und dem Umgang mit ehemaligen Mitgliedern, wurden 4 Aussagen im EZW-Text 255 von 2022 korrigiert. Dabei handelt es sich bei 2 Aussagen um nebensächliche statistische Definitionen. 2 weitere zurückgenommene Aussagen finden sich allerdings in den Publikationen der Zeugen Jehovas eindeutig bestätigt. Dabei nimmt bei einer zurückgenommen Aussage zum Kontaktabbruch innerhalb der Familie das LG Hamburg selbst eine fragwürdige Rolle ein.

weitere Informationen zum Fall

Jehovas Zeugen und SLAPP-Klagen

Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, doch landen auch in Europa immer häufiger Menschen vor Gericht, die u.a. soziale Missstände anprangern. Auch Jehovas Zeugen KdöR als Teil des milliardenschweren Watchtower-Konzerns versuchen, kritische Stimmen mit sogenannten SLAPP-Klagen zum Schweigen zu bringen. SLAPPs steht für „Strategic Lawsuits against Public Participation” – zu Deutsch strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung. Die EU-Kommission, als auch die neue deutsche Regierung wollen SLAPP-Klagen nun einen Riegel vorschieben.

DW Nachrichten vom 29.01.2022
Beispiele für SLAPP-Klagen

Urheberrecht von Jehovas Zeugen als Mittel zur Zensur missbraucht
Zeugen Jehovas in den USA lassen falsche Urheberrechtsansprüche fallen, nachdem das Gericht erkannt hat, dass sie damit nur Kritiker/innen einschüchtern wollen (23.05.2022)

Berichte in den Medien

Interview von Sektenexpertin Dr. Regina Spiess im Zürcher Tagesanzeiger

Wegen eines Interviews im Zürcher Tagesanzeiger vom 27.05.2015 «Zeugen Jehovas reissen Familien auseinander» zum internationalen Wachtturm-Opfer-Gedenktag wurde Regina Spiess wegen ehrverletzender, übler Nachrede von Jehovas Zeugen angeklagt. Das Gericht hat sie jedoch freigesprochen.
(Zusammenfassung)

Die Jehovas Zeugen behaupteten, dass die Vorwürfe im Interview nicht wahr wären, wie z.B. die Existenz der Zwei-Zeugen-Regelung, die Ächtung von Ausgestiegenen oder Todesfälle infolge verweigerter Bluttransfusionen.

Buch „Ausstieg ins Leben“

Im Frühjahr 2017 veröffentlichte Konja Simon Rohde das Buch „Ausstieg ins Leben“. Nun gehen Anwälte der Zeugen Jehovas wegen einzelner Aussagen gegen den Mercator-Verlag vor
(WAZ 15.07.2017, DERWESTEN, WESTPHALENPOST)

„Unter anderem wird widersprochen, dass es keinen Zwang von Seiten der Zeugen zum Kontaktabbruch gibt, wenn jemand aussteigt.

Die Publikationen der Wachtturm Gesellschaft und die Erfahrungen vieler Betroffener führen die Abmahnung ad absurdum.
Hier finden Sie weitergehende Infos.

Buch “Goodbye, Jehova!”

Im Blog von Misha Verollet erschien im Januar 2018 ein Artikel mit dem Titel „Stellungnahme: Jehovas Zeugen K.d.ö.R klagen gegen mein Buch ‚Goodbye, Jehova!‘ und den Verlag Rowohlt“.

Beanstandet werden sieben Passagen auf 500 Seiten. Der Autor führt aus: „Gleichwohl handelt es sich hier meines Erachtens um einen plumpen Einschüchterungsversuch, Teil einer groß angelegten Strategie, Kritikerinnen und Aussteigerinnen mundtot zu machen. Dazu gehörte in der Vergangenheit auch das öffentliche Diffamieren und Pathologisieren von kritischen Ex-Zeugen Jehovas als ‚geistig krank'“.

Der Artikel ist inzwischen vom Netz genommen, liegt uns aber noch in gedruckter Form vor.

Jehovas Zeugen bereits 2015 mit Strafanzeige in der Schweiz gescheitert

Anna Gunkel arbeitet als Physiotherapeutin und Fachberaterin Psycho-Traumatologie mit Menschen mit posttraumatischen Belastungsstörungen. Sie sagte im Interview: «Praktisch jede meiner Patientinnen, die bei den Zeugen Jehovas aufwuchs, wurde missbraucht»
(watson, 23.04.2015)

Der Anwalt der Zeugen Jehovas Oliver Huber leitete darauf hin Strafanzeige ein. «Die Beschuldigte habe mehrere unwahre ehrverletzende Äußerungen getätigt». Die Zeugen Jehovas blitzten jedoch ab, da die Staatsanwaltschaft die Voraussetzungen für eine Untersuchung als nicht gegeben ansah.
(watson, 22.10.2015)

OnlineZeitung 24.de

Nie wieder sollte ich schreiben, dass Zeugen Jehovas wenig behutsam mit Partnerschaften umgehen, wenn sich einer der beiden miteinander Verbandelten von besagter unsichtbarer Regierung abwendet und sich lieber Sichtbarem widmet. Sichtbar wurde für mich in diesem Schreiben auch eine Kostennote über 755,99 Euro. Die datierte vom 4. September 2007. Auch diesem Anwalt riet ich, dass er tun sollte, was er tun wollte. Doch auch er wollte nicht mehr. (12.12.2007 08:23:13 eingesandt von hwilmers für OnlineZeitung 24.de)

Weitere Informationen

Internationale Rechtsgutachten, -verfahren und -entscheidungen gegen Zeugen Jehovas aufgrund von Verstößen gegen Landesgesetze und/oder Grund- und Menschenrechte finden Sie hier aufgelistet.

Weitere Informationen zu falschen oder irreführenden Aussagen der Zeugen Jehovas finden sind hier zu finden.