Medienmitteilung vom 29. Januar 2020

Sexueller Kindesmissbrauch bei Zeugen Jehovas auch in Deutschland ein Problem – Offener Brief des Vereins JZ Help an die Zeugen Jehovas Deutschland

Sexueller Kindesmissbrauch und der Umgang damit stellen bei den Zeugen Jehovas in den Niederlanden ein gravierendes Problem dar. Zu diesem Schluss kommt ein letzte Woche vorgestellter Untersuchungsbericht der Universität Utrecht im Auftrag der niederländischen Regierung. 

Sexueller Kindesmissbrauch bei den Zeugen Jehovas ist auch im deutschen Sprachraum ein Problem. Das ist die Einschätzung des Vereins JZ Help e.V., der sich für Zeugen Jehovas-Betroffene einsetzt. In den knapp zwei Jahren seines Bestehens hat der Verein über 50 Rückmeldungen zu mutmaßlichem sexuellem Kindesmissbrauch innerhalb der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas erhalten. 

In einem Offenen Brief fordert der Verein JZ Help den Vorstand der Zeugen Jehovas KdöR Deutschland sowie das Zweigbüro Zentraleuropa dazu auf, die Aufarbeitung mutmaßlicher Missbrauchsvorfälle anzugehen. Der Verein verweist auf die Empfehlungen für Institutionen der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs in Deutschland.

Staatliche Untersuchung in den Niederlanden

Letzte Woche veröffentlichte die Universität Utrecht eine Untersuchung, die sie im Auftrag der niederländischen Regierung durchgeführt hatte: 751 Personen hatten an einer Befragung teilgenommen und über Erfahrungen mit dem Thema Kindesmissbrauch innerhalb der Zeugen Jehovas berichtet. Zudem wurden 10 Tiefeninterviews durchgeführt. Die Untersuchung stellte fest, dass sexueller Missbrauch innerhalb der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas „ein ernstes Problem“ darstelle. Die Vorfälle sexuellen Missbrauchs innerhalb der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas würden in ungenügender Weise behandelt, Verdachtsfälle würden nicht oder „nur widerwillig“ bei der Polizei gemeldet. 

Der Vorstand der Zeugen Jehovas in den Niederlanden hatte zunächst zur Teilnahme an der Studie aufgerufen, die Publikation des Berichtes dann aber gerichtlich zu verhindern versucht. Auch gegen den Bericht, der am 23. Januar veröffentlicht wurde, wollen die Jehovas Zeugen der Niederlande gerichtlich vorgehen.

Eine Übersicht über die Berichterstattung findet sich hier:
Bericht zum Kindesmissbrauch bei Jehovas Zeugen im Auftrag der Niederländischen Regierung

Untersuchungen aus anderen Ländern

Auch aus anderen Ländern liegen Berichte vor, die deutlich machen, dass die religiösen Vorgaben der Zeugen Jehovas sexuellen Kindesmissbrauch begünstigen und zu einem unangemessenen Umgang damit führen. Die umfassendste Untersuchung legte die Australische Royal Commission (2016) vor. Deutsche Zusammenfassung der Ergebnisse in diesem Bericht von infoSekta (2017) oder bei Oliver Wolschke. Die Charitiy Commission von England und Wales publizierte (2017) einen Untersuchungsbericht zu Vorfällen sexuellen Kindesmissbrauchs innerhalb einer Versammlung der Zeugen Jehovas. Im letzten Jahr gab es verschiedene journalistische Beiträge zur Situation in Belgien (unter Stichwort Belgien).