Barbara Kohout – unser erstes Ehrenmitglied

Laudatio anlässlich der Mitgliederversammlung vom 5. Februar 2019 (Regina Spiess)

Seit 2009 ist Barbara in der Aufklärungs- und Beratungsarbeit tätig. Was sie in zehn Jahren erreicht hat, ist mehr als aussergewöhnlich. Wir von JZ Help e.V. sind stolz, Barbara unser Mitglied und ab heute unser Ehrenmitglied nennen zu dürfen! 

Öffentlichkeitsarbeit

Vielen Menschen ausserhalb der Zeugen-Jehovas-Aussteiger-Szene ist Barbara durch mehrere Dutzend Medienauftritte ein Begriff. Immer wieder berichtet sie in Radio, Fernsehen und Printmedien über die schwierige Situation von Menschen, welche aus der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas aussteigen bzw. noch drin sind. Dabei tritt sie stets sehr menschlich, äusserst differenziert und gleichzeitig absolut klar auf. Barbara war und ist DAS Gesicht von Zeugen Jehovas-AussteigerInnen im deutschen Sprachraum. Mit ihrem Mut, an die Öffentlichkeit zu treten, hat sie anderen ehemaligen Zeugen Jehovas, die ihre Erfahrungen ebenfalls öffentlich machten, den Weg geebnet.  

Dieter Rohmann sagte einmal zu Barbara: «Du hast der Wachtturm-Gesellschaft den Welpenschutz genommen.» 

Schriftstellerisches Schaffen

Barbara ist eine begnadete Autorin und sie hat seit ihrem Ausstieg fünf Bücher geschrieben. Auch ihr schriftstellerisches Talent hat sie in den Dienst ihrer umfassenden Aufklärungsarbeit gestellt. Alle ihre Bücher behandeln das Thema sektenhafte Gruppen, wenn auch in ganz unterschiedlicher Form. 

Aufklärungsarbeit und Vernetzung

Barbaras Bekanntheit und ihre kompetente Art aufzutreten führen dazu, dass sie oft als Referentin eingeladen wird: Etwa zur Fachtagung Roncalli in Karlsruhe zusammen mit Ursula Meschede im Februar 2012 zur Frage «Sind Zeugen Jehovas familienfreundlich?». Zu einer Tagung der Elterninitiative gegen psychische Abhängigkeit im Mai 2013 zum Thema der Auswirkungen für Kinder in totalitären Bewegungen. Zu einer Tagung von SINUS Frankfurt im November 2012. Oder zur Fachtagung zu religiösem Extremismus der Diözese Augsburg im März 2016, organisiert von Klaudia Hartmann. Es sind Dutzende Vorträge, die Barbara gehalten hat. Die Situation von Kindern in sektenhaften Gruppen, die über keinerlei Lobby verfügen, ist Barbara ein besonderes Anliegen. 

Barbara nutzt Fachtagungen auch, um ExpertInnen aus dem Gesundheitsbereich die besondere Situation von Sekten-Betroffenen darzulegen, etwa bei der Kassenärztlichen Vereinigung in Augsburg, beim Verein Psychiatrie-Erfahrener oder in Kliniken und Weiterbildungseinrichtungen für PsychotherapeutInnen. 

Barbara wird auch von vielen Schulen, von Gemeinden oder Gruppen mit besonderen Bedürfnissen, wie etwa Gehörlosen, eingeladen, um Vorträge zu halten. 

Zu Barbaras Aufklärungsarbeit gehört ausserdem ihre Unterstützung von SchülerInnen und Studierenden bei wissenschaftlichen Arbeiten zu den Zeugen Jehovas. Sie hat mehrere Dissertationen zum Thema fachlich begleitet. Hier ist im Zusammenhang mit unserer Arbeit als Verein die Dissertation von Alexander Kühn zu Religiösem Extremismus in Deutschland besonders hervorzuheben. 

Barbaras Aufklärungsarbeit geht Hand in Hand mit ihrem Bemühen um Vernetzung. «Man muss sich rühren, man muss auf Leute zugehen», sagt sie. Sie reagiert auf jeden Artikel, jede Meldung zum Thema Zeugen Jehovas oder verwandten Themen, sie schreibt Leserbriefe, kontaktiert ExpertInnen, und spricht PolitikerInnen an. So kommt es, dass sie bestens vernetzt ist mit staatlichen und kirchlichen Weltanschauungsstellen oder privaten Initiativen wie Ausstieg e.V. oder Sektenausstieg.net. Sie steht im Austausch mit VertreterInnen aus Verwaltung und Politik, Wissenschaft und den Medien.

Für uns als Verein ist das von grösstem Wert und es lohnt sich immer, bevor man jemand anspricht, bei Barbara nachzufragen, ob sie mit der Person bereits in Kontakt steht. 

Beratungsarbeit

Durch ihre Medienauftritte und ihre Bücher ist Barbara einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Der allergrösste Teil ihrer Arbeit ist allerdings die für Aussenstehende kaum sichtbare und für ratsuchende Menschen unschätzbare Beratungsarbeit, die Barbara seit einem Jahrzehnt leistet.

Als deutlich wurde, dass sich immer mehr Zeugen-Jehovas-Betroffene an sie wenden, machte Barbara verschiedene Fortbildungen: Sie besuchte u.a. Seminare zur Gesprächsführung in der Telefonberatung und bildete sich weiter in der Leitung von Selbsthilfegruppen. Dabei erhielt sie grosse Unterstützung durch die Stadt Augsburg, die Selbsthilfeinitiativen fördert.

Seit zehn Jahren berät Barbara täglich Menschen, die telefonisch, per Email, über Facebook oder per Briefpost mit ihren Anliegen an sie gelangen. In diesen zehn Jahren hat Barbara Tausende von Telefongesprächen geführt und Tausende, vermutlich aber eher Zehntausende von Emails beantwortet. 

Es sind AussteigerInnen, die an Barbara gelangen, wenn sie im Begriff sind, die Gemeinschaft zu verlassen oder nachdem sie die Gemeinschaft verlassen haben; es sind zweifelnde Zeugen Jehovas, die noch in der Gemeinschaft sind und sich niemandem gegenüber offenbaren können; und es sind Angehörige von Zeugen Jehovas, die sich mit ihren Sorgen an Barbara wenden.

Barbara hört Betroffenen zu, nimmt an ihrem Schicksal Anteil und berät sie mit einer Expertise, die ihresgleichen sucht. Es gelingt ihr, empathisch zu sein, mitzufühlen und sich dennoch nicht von dem Leid, das ihr oft entgegenschlägt, wegspülen zu lassen. Für so viele ratsuchende, verzweifelte Menschen ist Barbara seit Jahren der sprichwörtliche Fels in der Brandung. 

Leitung der Selbsthilfegruppe SeelNot

Von 2011 bis 2018 bot Barbara die Treffen der Selbsthilfegruppe SeelNot in Augsburg an, die sie bis 2016 selbst leitete. Im Rahmen dieser Tätigkeit hat sie auch Seminare mit Dieter Rohmann und Maria Stiegeler organisiert. Die Arbeit der Selbsthilfegruppe SeelNot hat Barbara in diversen Ausstellungen und Aktionen präsentiert: Im Maximilianeum in München oder anlässlich des Tages der Selbsthilfegruppen in Augsburg am Rathausplatz, in Ausstellungen im Klinikum Augsburg und im Zeughaus oder in einer Aktion mit dem Sekten-Schirm in Augsburg. 

Information und Beratung über Neue Medien 

Barbara hat die neuen Medien schon ganz früh für Beratungs- und Aufklärungsarbeit genutzt. Sie beteiligte sich am Berliner Pilotprojekt zur Gründung von Online-Selbsthilfegruppen von NAKOS (das ist die Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen). Das Projekt war ein durchschlagender Erfolg. Die VertreterInnen der Evaluationsgruppe von NAKOS zeigten sich erstaunt, wie gross die Nachfrage von Seiten von Betroffenen war und als wie hilfreich und nachhaltig sich der Austausch für die Teilnehmenden erwies. Mit dem Aufkommen von Facebook ging diese frühe Online-Selbsthilfegruppe dann in einem FB-Forum auf. 

Barbara hat aber auch in verschiedenen Internet-Foren für AussteigerInnen mitberaten. Über mehrere Jahre war sie ausserdem aktiv auf Facebook und hatte mehr als 1000 Follower. Auch über dieses Medium hat sie Hunderte Anfragen beantwortet. 

Seit mehreren Jahren betreibt Barbara eine Website, auf der sie viele Informationen bereitstellt. Sie ist ausserdem über Twitter aktiv und betreibt einen eigenen Youtube-Kanal, dessen Beiträge mittlerweile tausendfach geklickt werden.

Man kann Barbara als Pionierin des heute stark beachteten und beforschten Blended Counseling bezeichnen, der Beratung, die über Face-to-face-Kontakte hinaus verschiedene weitere Kanäle der Kommunikation nutzt.

Besondere Anliegen

Fragt man Barbara, was ihr persönlich besonders am Herz liegt, nennt sie zuallererst die Beratung. Aber eigentlich findet sie die Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit genauso wichtig, nur so können sich Aussenstehende ein Bild machen, was es bedeutet, in einer sektenhaften Gruppe aufzuwachsen. Auch die Sensibilisierung von TherapeutInnen und anderen Fachpersonen für die Nöte und Bedürfnisse von Sektenbetroffenen ist für Barbara seit Beginn ihrer Arbeit ein grosses Anliegen.  

Nach einem Jahrzehnt Aufklärungsarbeit ist für Barbara heute die politische Arbeit besonders zentral. «Sekten dürfen keine Chance mehr haben, durch ihre Drohbotschaften Seelen zu zerstören. Es geht darum, Grund- und Menschenrechten als bindende Maxime Geltung zu verschaffen.»  

Wir als Verein schätzen uns absolut glücklich, Barbara als Mitglied zu haben und ab heute unser Ehrenmitglied nennen zu dürfen. Wir bedanken uns im Namen aller von Sekten und insbesondere Zeugen Jehovas Betroffenen bei Barbara für ihre grossartige Arbeit, die sie im Bereich von Aufklärung und Beratung leistet!

Dankesrede von Barbara Kohout anläßlich der Ernennung zum Ehrenmitglied

Mein erster Impuls, als ich den Tagesordnungspunkt, mich zum Ehrenmitglied zu ernennen, gelesen habe, war – nein, das geht nicht. 

Ehre gebührte in meinem früheren Leben – die Ex-ZJ unter uns wissen das – nur Jehova.

Der Vorstand hat mich überredet. Jetzt sagt Ihr – Barbara Kohout – soll geehrt werden. 

Boahhhh – das berührt mich tief. Und ich nehme die Herausforderung an. 

Mein Dank gilt aus tiefstem Herzen Euch allen. 

Das alles, was Regina Spieß aufgezählt hat, konnte ich allerdings nicht alleine schaffen. 

Neue Freunde

Im ersten Jahr nach meinem Ausstieg war ich orientierungslos – in einer Reaktionsstarre. Ich habe angefangen meine Gedanken aufzuschreiben und über erste Kontakte im Forum bei my space Erfahrungen ausgetauscht. Dort erst lernte ich „normale“ Menschen kennen, wie zum Beispiel den Kapitän Thomas Mang. Ein „Weltmensch“! Ohne ihn hätte es vermutlich kein „Mara im Kokon“ gegeben. Er hat Seite für Seite mit mir bearbeitet und mir gezeigt, wo „ein Weltmensch“ nicht verstehen würde, was ich meine. Es war manchmal recht witzig, wenn er fragte: „Was bitte ist ein anderes Schaf“, oder wie genau machst Du die Menschen „jünger“?  

Nachdem das Buch erschienen war, wurden mir so viele Türen geöffnet, um über das Thema Zeugen Jehovas zu sprechen. Danke an die wunderbaren Vertreter der Medien, die ich dabei kennenlernte, die mir eine Plattform gegeben haben. 

Danke gebührt auch den damals schon langjährig tätigen AusstiegsberaterInnen Rolf Häusner  von SINUS Frankfurt;  Ursula Meschede von Ausstieg e.V. und Inga Lochmann sind mir liebe FreundInnen geworden. 

Sie alle leisteten einen großen Beitrag dazu, dass ich die Selbsthilfe-Gruppe gründen konnte. 

Frau Seidel von der Stadt Augsburg unterstützte mich, wo sie konnte mit Rat und Tat in der Gruppenarbeit. Der Runde Tisch der Krankenkassen ermöglichte es mir, durch die Fördersummen, die Seminare mit Dieter Rohmann und Maria Stiegeler anzubieten. 

Klaudia Hartmann schenkte mir viel Zeit und machte auf meine Arbeit in ihrem Netzwerk der Beraterkollegen aufmerksam. In der neuesten Schrift von Dr. Utsch, EZW Berlin wird auf meine Webseite verlinkt.  

Aber auch die Menschen um mich herum, die mir Halt gaben, dürfen nicht unerwähnt bleiben, Robert Klassert, Alexander Monte, als Unterstützung in der Selbsthilfegruppe. 

Meine Familie

Mein Sohn Jörg-Alexander mit seiner akribischen Geschichtsforschung zur WTG und nicht zuletzt die vielen Stunden, die mir meine Tochter geschenkt hat, in der Zeit als ich darum kämpfte, die Glaubenssätze zu entlarven und die Blockanden aufzulösen. 

Gerade mein Mann und meine Kinder verdienen Dank und Anerkennung. Sie haben meinen radikalen Wandel von der demütigen, linientreuen, christlichen Ehefrau in eine selbstbewusste, selbstbestimmte Aktivistin ausgehalten und mitgetragen. 

Und das war weiss Gott nicht immer leicht! 

Ich kann sie unmöglich alle nennen, jene – die mir Mut gemacht haben – in Zuschriften und am Telefon. Auch Du – liebe Regina Spieß– Danke sehr vielmals, dass Du mich ernst genommen hast und mir Deine Zuneigung gezeigt hast. Danke auch für Deine lieben, anerkennenden Worte in Deiner Laudatio. 

Danke an Euch alle, die ihr jetzt den Verein JZ Help unterstützt und mir damit dieses wunderbare Geschenkt gemacht habt. 

Es ist so schön, dass die vergangenen zehn Jahre harter Arbeit so lohnende Früchte zeigen. 

In diesem Sinne – mein Dankeschön an Euch alle ist so groß, dass es bis zur Venus und wieder zurück reicht.