Italien/Rimini – Ende November wurde in der italienischen Fernsehsendung, “Chi l’ha visto” (wörtlich “Wer hat’s gesehen?”, vergleichbar mit “Aktenzeichen XY ungelöst” in Deutschland) ein Video der Zeugen Jehovas über den Kontaktabbruch zu Ex-ZJ ausgestrahlt und sogar erwähnt, dass die ZJ-Organisation dieses von ihrer Website wieder gelöscht hat.
Hintergrund dafür ist ein ungelöster brutaler Mordfall Anfang Oktober in Rimini an einer 78-jährigen ZJ, Piera Paganelli, auf dem Heimweg nach einer Versammlung. Unter den Verdächtigen sind Bewohner aus ihrem Stockwerk: Schwiegertochter, Nachbarn, Bruder der Schwiegertochter, Vater der Schwiegertochter.
Die Ermittler deckten Bemerkenswertes auf: Die Schwiegertochter, eine Zeugin Jehovas, hatte ein Verhältnis mit dem Nachbarn. Als die Leiche gefunden wurde, hätte ein Rechtskomitee mit der Schwiegertochter stattfinden sollen. Die Aussage der Ermordeten wäre wichtig für die Entscheidung des Rechtskomitee gewesen. Monate vorher wurden ihrem Ehemann, einem Dienstamtgehilfen, die Vorrechte entzogen wegen Steuerhinterziehung und weil sie in der Ehe Probleme hatten. Kurz danach hatte er einen “Unfall” und lag monatelang im Koma. Er hätte am Tag nach dem Mord entlassen werden sollen.
Da in der Öffentlichkeit bekannt wurde, dass die Schwiegertochter Angst vor dem Komitee hatte und dass dies damit ein Motiv sein könnte, haben die Ältesten und die Zentrale der Zeugen Jehovas in Rom in Interviews irreführenderweise erklärt, dass sie sich nur nach dem Befinden erkundigen wollten und jedes Mitglied freiwillig aus der Organisation aussteigen kann und trotzdem die familiären Kontakte selbstverständlich unverändert bleiben, usw. (siehe auch: Soziale Ächtung und Kontaktverbot)
Viele Ex-ZJ haben an die Redaktion geschrieben und erklärt, was wirklich läuft, so dass gestern das Ächtungsvideo ausgestrahlt wurde und Zeugenaussagen vieler Ex-JZ erwähnt wurden.
Seit zwei Monate ist das Image die Zeugen Jehovas in Italien nicht mehr so positiv und es wird oft im Fernsehen über die dunkle Zeugen Jehovas-Welt berichtet. Dinge wie Rechtskomitee, Ausschluss, Kontaktabbruch und introvertierte Älteste, die sich hinter dem religiösen Beichtgeheimnis verstecken, werden nicht nur von Journalisten, sondern auch von Kriminologen und Ermittlern öffentlich auseinandergenommen. Bis heute wurde der Mörder noch nicht gefunden. Auch eine Spur in die Gemeinde wird nicht ausgeschlossen.
Siehe auch Artikel „Caso Pierina: figlio fu sollevato da ruolo nei Testimoni di Geova“ (ANSA, 04.11.2023)
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