Zeugen Jehovas und die Bulgarien-Vereinbarung zum Blutverbot

Die Organisation der Zeugen Jehovas musste im Anerkennungsverfahren in Bulgarien Zugeständnisse in ihrer Blutdoktrin machen. In einer Vereinbarung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) musste ein Passus in die Statuten der Organisation aufgenommen werden, dass die lebensrettende Maßnahme der „Bluttransfusion“ straffrei und ohne Konsequenzen erlaubt sind. Nach eigener Aussage der Zeugen Jehovas wurden jedoch die bestehende Konsequenzen gezielt verheimlicht und damit der bulgarische Staat und das EGMR hintergangen.

Wir fragen uns und Sie: Ist dies wirklich der Fall?

Vorgeschichte

Eine der wohl bekanntesten Eigenarten der Zeugen Jehovas ist, ihren Mitgliedern die lebensrettende Maßnahme einer Bluttransfusion zu untersagen. Die strikten Anweisungen und Regeln der Organisation gelten weltweit.
Im Jahre 1994 wurde etlichen Religionsgemeinschaften in Bulgarien die Registrierung entzogen, darunter auch den Zeugen Jehovas mit Sitz in Sofia. Bei Antrag auf Neuregistrierung an den bulgarischen Ministerrat wurden sie nicht gehört. Mangels Registrierung wurden gar Maßnahmen gegen die Tätigkeiten der Zeugen Jehovas ergriffen, darunter Haft und Auflösung von in Privaträumen abgehaltenen Zusammenkünften, sowie Konfiszierung religiösen Materials.

Der Antrag der Zeugen Jehovas auf Neuregistrierung ging bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, um eine Einigung zu erzielen .

Am 9. März 1998 stellte die eingesetzte Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte fest, dass eine gütliche Regelung des Falles auf der Basis der Achtung vor den Menschenrechten beider Parteien erreicht wurde (Report of the Commission).

Vereinbarung vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof

Nachfolgend wurden Auszüge aus dem Bericht der Kommission durch JZ Help übersetzt.

Der Staat Bulgarien verpflichtet sich:

I – Bezüglich des Ersatzes der Wehrdienstes durch einen Ersatzdienst wird die Regierung Bulgariens sich verpflichten, im Parlament einen Gesetzentwurf einzubringen, mit dem ein Zivildienst als Alternative zum Wehrdienst eingerichtet wird. 
[Jehovas Zeugen hatten gefordert, den Militärdienst aus Gewissensgründen verweigern zu dürfen, um stattdessen einen zivilen Ersatzdienst zu leisten. – Anm. JZ Help e.V]

Die Organisation der Zeugen Jehovas dagegen verpflichtet sich:

II – Bezüglich der Haltung der Zeugen Jehovas zur Blutfrage verpflichtet sich die Antragstellerin, eine Erklärung zu verfassen, die den Statuten der Zeugen Jehovas in Bulgarien im Hinblick auf ihre Registrierung als wesentlicher Bestandteil beigefügt wird, die besagt: 
2.1. Jehovas Zeugen als Patienten nehmen für sich selbst und für ihre Kinder das medizinische System in Anspruch; jedes Mitglied hat das Recht, dieses [medizinische System] aus freiem Willen in Anspruch zu nehmen, und zwar ohne Kontrollen und Sanktionen seitens der Antragstellerin. 
2.2. In Übereinstimmung mit dem bulgarischen Gesundheitsrecht verpflichtet sich die Christliche Gemeinschaft der Zeugen Jehovas in Bulgarien, die Anwendung des besagten Gesetzes zu respektieren, worin es heißt: 
2.2.1. – keine medizinische Voraberklärung abzugeben, dass Minderjährige keine Bluttransfusion erhalten dürfen [das hieße auch, dass ungetauften oder getauften Minderjährigen verboten wird, eine Karte gegen Transfusionen mit sich zu führen – Anm. JZ Help e.V.]. 
2.2.2. – und was Erwachsene betrifft, wird in Beachtung des genannten Rechts anerkannt, dass jeder einzelne die Freiheit der Wahl behält. 

Vereinbarungen und Verpflichtungen

III. In Bezug auf die Anerkennung der Sekte der Zeugen Jehovas durch den bulgarischen Staat als eine offizielle Religion: 
3.1. Die Christliche Gemeinschaft der Zeugen Jehovas verpflichtet sich, ihre bei der Europäischen Kommission für Menschenrechte eingereichte Petition gegen Bulgarien zurückzuziehen; 
3.2. Daraufhin, nach Rückziehung der Petition, verpflichtet sich die Regierung Bulgariens, Jehovas Zeugen in Bulgarien und ihre Anbetung gemäß dem Recht der religiösen Bekenntnisse zu registrieren. 
3.3. Daraufhin, nach Rückziehung der Petition, verpflichtet sich die Regierung Bulgariens gleichfalls, Punkt 16 des Anhangs 2 bis Punkt 4 der Verfügung des Ministerrats Nr. 255 von 1994 zurückzunehmen. 

Abschluss

18. Auf ihrer Sitzung am 9. März 1998 stellte die Kommission fest, daß die Parteien über die Bedingungen für eine Regelung Einigkeit erzielt hatten. Mit Bezug auf Artikel 28, Absatz 1 (b) der Konvention wurde weiter in Betracht gezogen, dass die gütliche Regelung des Falles auf der Basis der Achtung vor den Menschenrechten, wie sie in der Konvention niedergelegt sind, erreicht wurde.

Aus diesen Gründen nahm die Kommission den vorliegenden Bericht an.

Stellungnahme der Zeugen Jehovas steht im Widerspruch zum Religionsrecht

Im Gegensatz zu der vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geschlossenen Vereinbarung verweist die Religionsgemeinschaft Jehovas Zeugen in Deutschland darauf hin, dass tatsächlich keine Änderungen vorgenommen wurden.

„Es betraf die Charta der Religionsgemeinschaft, die 1998 von der bulgarichen Regierung offiziell akzeptiert worden ist. Zur Thematik „Verhältnis zu den Gläubigen im Land“ heißt es im Artikel 7 (1): „Die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Bulgarien übt keine Kontrolle über den freien Willen der Gläubigen aus, sondern gestattet ihnen, gemäß ihrem Gewissen in Übereinstimmung mit göttlichen Grundsätzen der Bibel zu handeln, noch setzt die Religionsgemeinschaft willkürlich Sanktionen in Verbindung mit der medizinischen Behandlung ein, um die sich Jehovas Zeugen für sich und ihre Kinder gewissenhaft bemühen. Die Religionsgemeinschaft hält sich in diesem Aspekt des christlichen Lebens an die liebevollen und gerechten Grundsätze des Wortes Gottes“. Somit gibt es keine Änderung der seit langem bestehenden Glaubensansichten, weder in Bulgarien noch anderswo.
(Werner Rudtke, Vizepräsident der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland, FORUM 2001, Stellungnahme der Zeugen Jehovas zur Zuschrift von Prof. Dr. R. Klose, S. 568,Abs. 3)

Sanktionen

Religionsrecht der Zeugen Jehovas

Die internen, geheimen Anweisungen im Religionsrecht zeigen deutlich, dass nach Verabreichung einer Bluttransfusion ein Komitee darüber entscheidet, ob der/die Betreffende weiterhin ein Zeuge Jehovas ist. Damit besteht praktisch kein Unterschied zu einem Ausschluss, außer, dass keine Berufung möglich ist. 

Jemand enthält sich bewusst nicht von Blut und bereut nicht: Willigt jemand in eine Bluttransfusion ein – vielleicht unter extremen Druck -, sollte ein Komitee (kein Rechtskomitee) den Sachverhalt und die Einstellung des Betreffenden feststellen […] Stellt das Komitee jedoch fest, dass keine Reue vorliegt, lässt es bekannt geben, dass der Betreffende kein Zeuge Jehovas mehr ist“ (Ältestenbuch sfl-X, Okt. 2022, Kap. 18, Punkt 3)

Gerichtsurteil bestätigen Sanktionen

Das Landgericht Hamburg stellte mit Urteil vom 27. November 2020 folgendes fest:

 „Die Annahme einer Bluttransfusion führt zum Ausschluss aus der Gemeinschaft falls der Betreffende dies nicht bereut.“ (1.24)

Weitere Informationen zum Blutverbot bei Jehovas Zeugen

Fazit – Zeugen Jehovas hintergehen EGMR und Bulgarien 

Aufgrund der Stellungnahme der Zeugen Jehovas von 2001 haben sie in ihrer Charta 1998 in Bulgarien falsche Angaben gemacht, indem sie behaupten, dass keine Sanktionen bei der Annahme einer Bluttransfusion ergriffen werden. Dies steht in klarem Widerspruch zu ihrem Religionsrecht, in dem Sanktionen bis zum Ausschluss und damit zu Ächtung und Kontaktabbruch auch innerhalb der Familie drohen. Damit haben Jehovas Zeugen die Vereinbarung vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof unterlaufen und diesen, wie auch den Bulgarischen Staat, hintergangen.

Aufruf zur Unterstützung für weitere Recherche

Wir bitten bulgarische Zeugen Jehovas, oder ehemalige Mitglieder dieser Gemeinschaft, die Charta bzgl. des Blutverbots zu überprüfen, wie auch das bulgarische Ältestenbuch und uns zu informieren.
Ebenso bitten wir um Nennung von Kontaktpersonen der bulgarischen Regierung, wie des in die Verhandlungen involvierten Ministerrats.
Email: info(at)jz.help

Herzlichen Dank für die Unterstützung, Licht ins Dunkel zu bringen und diesen offensichtlichen Skandal aufzuklären.