ÜberLebensweg – Monja

ACHTUNG – TRIGGERWARNUNG!
Monjas ÜberLebensweg handelt von Gewalt, sexualisierter Gewalt, psychischen Belastungen und Suizidalität.
Sollte es dir nicht gut gehen, lies die folgenden Zeilen bitte nicht, oder zumindest nicht allein.

Wenn du Hilfe brauchst, wende dich bitte an eine der hier genannten Stellen: Hilfsangebote oder sende eine Mail an unser Team: hilfe@jz.help

Achte gut auf dich!

Danke Monja, dass du dein Erlebtes mit uns teilst!
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Monja
1. Wie bist du zu den Zeugen Jehovas gekommen?

Ich wurde als Einzelkind in die Gemeinschaft hineingeboren. Meine Mutter war schon seit 1958 mit 16 Jahren bei den Zeugen Jehovas. Mein Vater wurde von ihr 1969 bekehrt, als sie als Missionarin in Hessen tätig war. Sie heirateten im selben Jahr, obwohl sie wusste, dass er schwul und pädophil war.
Ich wurde dann 1971 geboren.

2. Wie hast du dein Leben, deinen Alltag in dieser Religionsgemeinschaft erlebt?

Meine Mutter war total fanatisch, was ihren Glauben angeht. Sie wollte mit allen Mitteln, dass ich auch getauftes Mitglied dieser Organisation werde. Dazu war ihr jedes Mittel recht. Mein Alltag bestand darin, dass ich gedrillt wurde, schon mit 4 Jahren lesen zu lernen. Nach dem Aufstehen musste ich mich sofort mit den Publikationen auseinandersetzen. Jede Widerrede wurde mit Schlägen/Misshandlungen, stundenlanges einsperren im Keller und Dachboden bestraft. Sie ging mit dem Messer auf mich los und verbrühte mich an der Brust. Von Haus zu Haus gehen jeden zweiten Tag in der Woche, Bibelstudium mit ihr und mit der ganzen Familie und im Königreichssaal.

Am meisten hatte ich mit dem sexuellen Missbrauch in der Gemeinschaft zu kämpfen. Ab meinem 4. Lebensjahr wurde ich von meinem Vater mehrmals im Monat sexuell missbraucht. Dies weitete sich dann auf mehrere Älteste und Dienstamtsgehilfen aus, von denen ich ebenfalls mehrmals im Jahr sexuell missbraucht wurde. Dafür bekam mein Vater Geld, dass er mich verkaufte an diese Leute. Wir wohnten damals in dieser Zeit über dem Königreichssaal. Meine Mutter wusste von den ganzen Missbräuchen und schaute dabei sogar zu. Von meiner gesamten Verwandtschaft, die alle auch bei der Gemeinschaft waren, bekam ich keine Hilfe.
Mit 9 Jahren versuchte ich mir das Leben zu nehmen, aber im letzten Augenblick tat ich es doch nicht. Ich hatte mir vorgenommen, gegen diese Leute zu kämpfen. Im Alter von 16 Jahren ließ ich mich nach langem Drängen taufen, was ein Fehler war. Der sexuelle Missbrauch ging auch im Teenageralter weiter, mit sogenannten Drogen die mir zugeführt wurden.

3. Wie kam es, dass du nun kein Mitglied der Zeugen Jehovas mehr bist?

Wie schon erwähnt, hatte ich mir mit 9 Jahren überlegt, wie ich es schaffen kann von dieser Organisation und dem Martyrium weg zu kommen. Im Alter von 17 Jahren lernte ich meinen jetzigen Mann kennen, für die Gemeinschaft natürlich ein Weltlicher. Er kam genau zum richtigen Zeitpunkt, da ich zu dieser Zeit sehr verzweifelt war und nicht mehr glaubte, von denen weg zu kommen.
Im Jahr 1991 verließ ich meine Eltern und schloss mich mit einem Schreiben an die Gemeinschaft selbst aus. Dieser Tag damals war der Schönste meines bisherigen Lebens.

4. Wie stark warst du im Glauben und in der Gemeinschaft verankert?
Wann und warum hast du begonnen zu zweifeln und deinen Glauben in Frage zu stellen?

Ich habe immer an Gott geglaubt, wie er auch immer heißt. Ich habe jeden Tag gebetet „Nimm mich bitte hier raus, ich kann nicht mehr!“ Das war die einzige Sache, an die ich geglaubt habe, aber nie an das, was die Gemeinschaft gelehrt hat und dass alles von Gott kommt. Ich konnte mir eigentlich nie vorstellen, dass Gott möchte, dass wir Menschen mit solchen Einschränkungen, sexuellem Missbrauch, Schlägen und Bestrafungen leben sollen, weil er uns ja das Leben geschenkt hat. Diese ganzen Missstände werden nur von der Gemeinschaft von ganz oben gemacht, um die Mitglieder zu beschäftigen, damit die wirklichen Drahtzieher der Gemeinschaft ihren fragwürdigen Geld- und Immobiliengeschäften nachgehen können. Und das alles mit den Spenden der Mitglieder.

5. Bist du von Ächtung betroffen?
a) Wenn ja, in welchem Ausmaß?

Ja, ich bin von Anfang an von Ächtung betroffen. Keiner aus meiner Verwandtschaft hat mehr mit mir gesprochen. Ich habe durch meinen Selbstausschluss alle Mitglieder der Familie verloren. Meine beste Freundin, die ich damals in der Gemeinschaft hatte, war plötzlich weg. Das hat mich am meisten belastet.

b) Warum ächten dich diese Personen/Zeugen Jehovas?

Es ist ganz sicher nicht die Entscheidung der Mitglieder der Gemeinschaft, Ausgeschlossene zu ächten. Das kommt von ganz oben. Die Drahtzieher, die leitende Körperschaft [Führungsgremium in NY, Anm. JZ Help e.V.], lenken ihre Mitglieder wie Marionetten und vertuschen meiner Erkenntnis nach pädophile Handlungen und sexuellen Missbrauch.
Es gab in der Gemeinschaft Listen, in denen die Namen der Ausgeschlossen verzeichnet waren. Da ich über dem Königreichssaal gewohnt habe, konnte ich diese Listen sehen. In einer Liste waren Ausgeschlossene mit Namen erwähnt, die nach dem Ausschluss sozusagen keine Gefahr für die Gemeinschaft sind. Andere wurden als gefährlich beschrieben, dass sie sozusagen zuviel über die Machenschaften der Gemeinschaft erzählen könnten. Auf diese wird besonders geachtet nach dem Ausschluss (Beobachtung von anderen Mitgliedern).
Ich habe es selbst erleben müssen.

6. Wie geht es dir heute? Mit welchen Auswirkungen hast du noch zu kämpfen?

Ich bin froh, dass ich diese Entscheidung getroffen habe, mich selbst auszuschließen. Ich bin seit Jahren arbeitsunfähig geschrieben, da ich an einer Posttraumatischen Belastungsstörungen, an rezidivierenden Depressionen und chronischen Schmerz- und Angststörungen erkrankt bin. Ich bin immer noch in psychologischer Betreuung und jedes Jahr für mehrere Wochen in Kliniken. Es geht mir damit aber sehr gut. Ich habe sehr viel gelernt, dass ich selbst viel dazu beitragen muss, dass es mir besser geht. Ich bin auf einem guten Weg und bin deshalb stolz auf mich, dass ich das Ganze hinter mir lassen konnte und den Umständen entsprechend ein normales Leben führen kann mit meinem Mann.

7. Welches Fazit ziehst du für dich persönlich aus deiner Vergangenheit?

Ich bin frei!
Das ist für mich das Wichtigste. Befreit von allen Zwängen und Lügen der Gemeinschaft und das unehrliche freundliche Getue der Mitglieder, und dass sie dich nur anerkennen wenn du tust, was sie sagen und befehlen.

8. Welchen Rat möchtest du Interessierten der Glaubensgemeinschaft, bzw. bereits zweifelnden Mitgliedern mitgeben?

Den Interessierten der Glaubensgemeinschaft möchte ich sagen, tut es nicht! Geht nicht zu diesen Lügnern, was sie meiner Meinung nach sind. Euer Leben könnte ruiniert werden von diesen Leuten. Sie drücken euch in ein Schema, wo ihr sehr schwer und nur mit viel Engagement wieder rauskommt.
Genießt euer Leben und bleibt diesen Leuten fern.