ÜberLebensweg – Daniela W. aus Stuttgart

Daniela
1. Wie bist du zu den Zeugen Jehovas gekommen?

Ich wurde hineingeboren. Meine Eltern waren bei meiner Geburt schon ein paar Jahre bei den ZJ.

2. Wie hast du dein Leben, deinen Alltag in dieser Religionsgemeinschaft erlebt?

Als kleines Kind fand ich alles noch gar nicht so schrecklich. Am meisten hatte ich mich sogar auf die Kongresse gefreut. Je älter ich wurde, desto schlimmer empfand ich aber alles. Vor allem in der Schule fühlte man sich doch als Aussenseiter, weil man ja bei kaum etwas mitmachen durfte. Der Predigtdienst war der reinste Horror. Ich hoffte jedesmal, dass ich niemanden treffe, den ich kenne und wenn ich dran war mit Vorsprechen betete ich inständig, es möge bitte niemand die Tür aufmachen. Auch die Zusammenkünfte und Treffen zum Bibelstudium empfand ich einfach nur als langweilig und schrecklich. Sie gaben mir einfach so gar nichts, kein gutes Gefühl. Es war mir einfach zuwider. Oft schwindelte ich vor, ich sei krank oder müsse für eine Arbeit lernen, so dass ich zuhause bleiben konnte. Da machte ich mir dann oft einfach 2 schöne Stunden allein daheim. Insgesamt empfand ich diese ganzen Regeln als sehr einschränkend und so manches war mir einfach auch nicht logisch.

3. Wie kam es, dass du nun kein Mitglied der Zeugen Jehovas mehr bist?

Es war eher eine Entwicklung und es gab mehrere Ereignisse, die mich darin bestätigten. Mein Vater war sehr gewalttätig und nahm den Leitsatz „Wer seine Kinder liebt, der züchtigt sie“ doch sehr genau. Er züchtigte nicht nur uns Kinder, sondern auch unsere Mutter. In der Versammlung wurde dann aber wieder die heile und glückliche Familie gespielt und er gab sich als liebevoller und treusorgenden Vater und Ehemann aus. Mit allen Mitteln strebte er nach dem Ältestenamt. Das er dann auch bekam. Und dann gab er Familien oder Ehepaaren Rat und Hilfe, aber zuhause tyrannisierte er seine Familie. Das passte vorne und hinten doch nicht zusammen für mich.

4. Wie stark warst du im Glauben und in der Gemeinschaft verankert?
Wann und warum hast du begonnen zu zweifeln und deinen Glauben in Frage zu stellen?

Schon recht früh. Mit ca. 12 Jahren war mir klar, dass dies nicht mein Weg sein wird. Daher machte ich alles nur soweit mit wie nötig. Ich bin quasi nur mitgeschwommen, um erstmal nicht aufzufallen und spielte das ganze Theater einfach mal so mit. Ich hatte mich deswegen auch nie taufen lassen, weil ich schon früh wusste, dass ich da raus möchte und dies eben als Getaufte sehr viel schwieriger sein wird. Ich habe nie die Bibel komplett gelesen und das ganze interessierte mich auch nicht so richtig. Auch das Studieren der Publikationen machte ich nur so halblebig.

5. Bist du von Ächtung betroffen?
a) Wenn ja, in welchem Ausmaß?

Natürlich brachen alle meine damaligen Freunde den Kontakt zu mir ab. Aber das war mir klar und eigentlich dann auch egal. Ich hatte zu dem Zeitpunkt schon wenige Freunde ausserhalb, so dass ich nicht ganz alleine dastand. Es klingelten natürlich des Öfteren die ZJ an meiner Türe, aber da ging die Ächtung quasi von mir aus. Ich hab‘ einfach nicht aufgemacht und auch alle, die trotzdem zu mir Kontakt suchten, geblockt. Auch hatte ich den Kontakt zu meinen Eltern erstmal komplett abgebrochen, da sie einfach nicht aufhörten, mich bekehren zu wollen. Ich wollte aber auf keinen Fall zurück, noch wollte ich auch nur irgendetwas wissen, was mit den ZJ zu tun hat.

b) Warum ächten dich diese Personen/Zeugen Jehovas?
Wie sind deine Gedanken dazu?

Es wird ihnen natürlich vorgegeben und treu und brav wie sie sind, hält man sich an diese Vorgaben. Da ich weder getauft noch ausgeschlossen bin, war die Ächtung bei mir natürlich nicht so drastisch und in all den Jahren hat es doch immer mal wieder der ein oder andere versucht. Aber auch hier blocke ich alles rigoros ab.

6. Wie geht es dir heute? Mit welchen Auswirkungen hast du noch zu kämpfen?

Nach einigen ziemlich chaotischen und schwierigen Jahren, in denen ich erstmal mich selbst finden musste, geht es mir heute besser denn je. In den ersten Jahren war natürlich immer die Angst vor Harmageddon präsent und wenn dementsprechend etwas in den Nachrichten kam, machte ich mir schon Gedanken. Ich fing dann an, mich mit anderen Religionen und Lehren zu beschäftigen. Dabei stellte ich fest, dass die Lehre von Himmel, Hölle, Teufel etc. so überwiegend nur in der christlichen Lehre vorkommt. Ich glaube heute an Lehren und Weisheiten eines sehr alten Volkes und da kommt nichts dergleichen vor, im Gegenteil. Somit konnte ich meine Angst vergessen, denn die Bibel ist für mich nur ein von Menschen geschriebenes Märchenbuch. Allerdings kämpfe ich immer noch damit, dass ich meine Emotionen kontrolliere und nicht zeige, was ich fühle oder denke. Viele Dinge mache ich mit mir selber aus, denn das musste man ja schon von klein auf und man musste ja immer den schönen Schein wahren. Egal was z.B. vor einer Zusammenkunft passiere. In der Versammlung hieß es lächeln und nichts anmerken lassen. Das kann ich heute leider noch zu gut.

7. Welches Fazit ziehst du für dich persönlich aus deiner Vergangenheit?

Sie war nicht immer schön und durch die Zugehörigkeit meiner Eltern zu den ZJ war es alles andere als einfach. Aber ich bin dadurch schon früh selbständig geworden und hatte meinen eigenen Kopf, den ich auch immer irgendwie durchgesetzt habe. Dadurch bin ich heute stark und ich merke, dass mich vieles nicht aus der Bahn wirft. Ich geniesse mein Leben viel bewusster und bin einfach nur glücklich darüber, über mich selbst entscheiden zu können und niemandem gerecht werden zu müssen.

8. Welchen Rat möchtest du Interessierten der Glaubensgemeinschaft, bzw. bereits zweifelnden Mitgliedern mitgeben?

Einfach alles zu hinterfragen und sich nicht einlullen zu lassen. Man sollte sich zu allem seine eigenen Gedanken machen.
Und man sollte keine Angst vor dem Weg nach draußen haben. Sicherlich wird der nicht einfach werden, aber er lohnt sich! Denn es erwartet einen ein freies, glückliches und selbstbestimmtes Leben.

Sei Du selbst!