ÜberLebensweg – Daniel aus A.

Daniel
1. Wie bist du zu den Zeugen Jehovas gekommen?

Ich wurde hineingeboren, so wie meine Eltern vor mir.

2. Wie hast du dein Leben, deinen Alltag in dieser Religionsgemeinschaft erlebt?

Mein Leben war geprägt von Schwarz-Weiß denken. Auch wenn meine Eltern alles relativ locker sahen, waren die Hauptlehren der ZJ tief verwurzelt. Ich wurde zu nichts gezwungen, wollte aber, dass meine Eltern stolz auf mich sind. Es wurde darauf geachtet, dass Freundschaften nur innerhalb der Versammlung gepflegt wurden. Außerhalb der Gemeinschaft hatte ich nur wenig Freundschaften, die mit der Zeit im Sande verliefen, da die Aktivitäten innerhalb der Versammlung und somit auch mit den Brüdern und Schwestern zwangsläufig viel Zeit in Anspruch nahmen. In den Dienst ging ich nie gerne, egal wie gut vorbereitet ich war. Zum einen war die Angst groß jemanden anzutreffen den ich kenne, zum anderen war es mir sehr unangenehm andere an der Haustür mit religiösen Themen zu „belästigen“. Unser Familienleben war sehr harmonisch und ich hatte damals noch keine Zweifel an der Richtigkeit der biblischen Lehren von ZJ. „Denn es war ja das einzig Richtige, die einzig wahre Wahrheit“.
Mit 23 heiratet ich, für mich viel zu früh und nach kurzer Kennenlernzeit. Das Ganze ging schief und ich bekam die ganze Härte meiner übereilten und durch die Theokratie auch erzwungenen Entscheidung zu spüren.

3. Wie kam es, dass du nun kein Mitglied der Zeugen Jehovas mehr bist?

Nach jahrelangen Versuchen die Ehe zu retten, auch wenn es nichts mehr zu retten gab, kam es letztendlich nach großen Vertrauensbrüchen zur Trennung und Scheidung. Als Zeuge Jehovas lässt man sich aber ja nicht so leicht/einfach scheiden; daher war dies kein einfacher Weg. Während dieser Zeit lernte ich meine jetzige Frau kennen, keine Zeugin Jehovas. Daraufhin folgten einige Ältestengespräche, die nur das eine Ziel hatten: wir sollten unsere Beziehung sofort beenden. Was wir natürlich nicht taten. Nach meiner Scheidung zogen wir zusammen, um uns bestmöglich kennen zu lernen bevor wir weitere Schritte wie heiraten unternahmen. Meine Schwester fühlte sich letztendlich dazu berufen die Ältesten zu informieren, woraufhin ich ausgeschlossen wurde. Ich sehe es als die beste Entscheidung, die ich treffen konnte, denn heute bin ich glücklicher Ehemann und Vater in einem Umfeld, das von echter Liebe geprägt ist und nicht von bedingter.

4. Wie stark warst du im Glauben und in der Gemeinschaft verankert?
Wann und warum hast du begonnen zu zweifeln und deinen Glauben in Frage zu stellen?

Ich war recht tief verwurzelt. Einmal nahm ich mir 3 Monate frei, um als Ferienmitarbeiter im Bethel in Selters helfen zu können. Die Lehren der Organisation habe ich nie wirklich geprüft und in Frage gestellt, wobei mir einige Ansichten, wie z. B. der Umgang mit Bluttransfusionen und die Ächtung von Ausgeschlossenen zu extrem vorkamen und erste stille Zweifel entfachten. Begonnen richtig zu zweifeln und alles in Frage zu stellen, habe ich nach meinem Ausschluss. Ich konnte die Kälte der Versammlung und der Ältesten mir gegenüber nicht verstehen, schließlich kannten die meisten mich schon 30 Jahre und wir waren zusammen aufgewachsen.

5. Bist du von Ächtung betroffen?
a) Wenn ja, in welchem Ausmaß?

Meine ganze Familie ist bei den Zeugen Jehovas, d.h. meine Eltern und meine Schwester, Tanten und Onkel sowie Großeltern. Ich werde gemieden von allen damaligen „Freunden“ aus der Versammlung und meiner ganzen Familie, außer von meinen Eltern und meiner Großmutter, worüber ich sehr sehr glücklich bin. Die Reaktion meiner Schwester auf den Ausschluss belastet mich manchmal noch. Ich würde ihr gerne meine Entscheidungen erklären, aber leider ist sie zu keinem Gespräch bereit.

b) Warum ächten dich diese Personen/Zeugen Jehovas?
Wie sind deine Gedanken dazu?

Ich weiß, dass es bei den meisten die mich ächten, keine persönliche Entscheidung ist. Der Druck, mit der Gruppe konform zu bleiben ist einfach zu groß und sie knicken ein. Die Angst vor Konsequenzen, die sie treffen können, wenn sie Kontakt zu mir aufnehmen und jemand anderes aus der Versammlung oder der Familie das mitbekommt, ist einfach zu groß. Die Zerrissenheit in ihrem Inneren ist riesengroß und das Gewissen plagt sie. Das alles reicht aber trotzdem nicht aus, sich über die Anweisungen der Führung der Zeugen Jehovas hinweg zu setzten. Im Tagestext und Wachtturm, sowie in den wöchentlichen Zusammenkünften wird in immer kürzeren Abständen darauf aufmerksam gemacht, was Ausgeschlossene und Abtrünnige für „Ungeziefer“ sind. Die Ächtung ist definitiv eine von oben angeordnete und keine Glaubens- oder Gewissensentscheidung. Die Kommunikation der Wachturm-Organisation ist nach außen über JW.ORG eine ganz andere, viel laschere, wie nach innen zu den Gläubigen.

6. Wie geht es dir heute? Mit welchen Auswirkungen hast du noch zu kämpfen?

Mir geht es heute besser als je zuvor. Ich bin frei zu denken und zu handeln und ohne die ständige Kontrolle dieser Religionsgemeinschaft zu tun, was ICH möchte. Ich bin unvoreingenommen in die Familie und den Freundeskreis meiner Frau aufgenommen worden, wofür ich sehr dankbar bin und nicht für selbstverständlich halte.

7. Welches Fazit ziehst du für dich persönlich aus deiner Vergangenheit?

Meine Vergangenheit hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Ich konnte auch viel Positives aus dieser Zeit mitnehmen, Charaktereigenschaften, die ich sonst vielleicht nicht hätte. Andererseits nehme ich heute nichts mehr blauäugig hin, hinterfrage viel mehr und informiere mich, egal über was. Das Weltbild ordnet sich noch neu.

8. Welchen Rat möchtest du Interessierten der Glaubensgemeinschaft, bzw. bereits zweifelnden Mitgliedern mitgeben?

Informiere dich gut und aus allen Quellen über diese Sondergemeinschaft. Lass dir die Zeit die du brauchst, um für dich ein klares Bild von allem zu bekommen und lass dich zu nichts drängen. Lass dich auch nicht vom „love bombing“, das in großem Maße betrieben wird, täuschen. Wenn du dich gegen die Fortführung des Studiums entscheidest wirst du schnell merken, warum dir Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Nicht aus persönlichem Interesse an dir, sondern um jemand neues zur Organisation zu führen. Zweifelnden Zeugen Jehovas rate ich dasselbe, informiert euch überall. Warum warnt die Organisation der Zeugen Jehovas so sehr vor anderen Quellen außer den eigenen? Weil die Informationen, auf die du stoßen wirst, ihrem Ruf schaden und Sie in ein ganz neues Licht für dich rücken wird.