Könnten Anerkennung als Religionsgemeinschaft verlieren: Eine symbolträchtige Entscheidung
Aktualisierung vom 27.04.2023:
Das Bezirksgericht Oslo hebt die zwischenzeitliche, von Jehovas Zeugen erwirkte, einstweilige Verfügung vom 30.12.2022 auf.
Hier geht es zur aktuellen Übersicht.
Aktualisierung vom 22.12.2022:
Die Staatsverwalterin von Oslo und Viken hat beschlossen, Jehovas Zeugen die Registrierung als Religionsgemeinschaft nach dem Religionsgemeinschaftsgesetz zu entziehen.
Vårt Land – Kan miste registreringen som trossamfunn: – En symboltung avgjørelse
Übersetzung von JZ Help
ZEUGEN JEHOVAS: Gerade wurde den Zeugen Jehovas wegen ihrer ausgrenzenden Praxis staatliche Subventionen verweigert. Jetzt will die Staatsverwalterin prüfen, ob es Hinweise gibt, die auch bezüglich der Anerkennung als Religionsgemeinschaft von Bedeutung sind.
Von Caroline Teinum Gilje, Journalistin
15.02.2022 05:29
Einer Religions- und Weltanschauungsgemeinschaft die Registrierung zu entziehen, sei eine symbolische Entscheidung, sagt Ingrid Rosendorf Joys, Generalsekretärin des Kooperationsrates der Religions- und Weltanschauungsgesellschaften (STL).
Im vergangenen Monat wurde bekannt, dass die Staatsverwalterin* den Zeugen Jehovas staatliche Zuschüsse für 2021 wegen ihrer Ausgrenzungspraxis verweigert. Nun riskiert die Religionsgemeinschaft eine weitere Ohrfeige. Die Staatsverwalterin wird auch prüfen, ob Jehovas Zeugen als Religionsgemeinschaft registriert werden können.
Das Ministerium für Kinder- und Familienangelegenheiten hat zuvor Warnungen von ehemaligen Zeugen Jehovas wegen Ausschluss und Ächtung von Mitgliedern erhalten. Im Frühjahr 2021 verschickte das Ministerium daher eine zweiteilige Anordnung: Die Staatsverwalterin solle prüfen, ob die Angaben in den Warnungen möglicherweise für die Beantragung staatlicher Zuschüsse von Zeugen Jehovas relevant seien. Außerdem baten sie um eine Einschätzung, ob die Angaben für die Registrierung der Religionsgemeinschaft wichtig sind.
Auf dieser Grundlage entschied sich die Staatsverwalterin für die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens, in dem sie die eigenen Aussagen und Veröffentlichungen der Zeugen Jehovas zum Thema Ausschluss überprüfte. „Bei dieser Überprüfung hat der Staatsverwalterin mehrere Verstöße gegen das Religionsgemeinschaftsgesetz aufgedeckt“, schrieb die Staatsverwalterin, als im Januar bekannt wurde, dass Jehovas Zeugen staatliche Zuschüsse verweigert werden.
Ob Jehovas Zeugen die Voraussetzungen für die Eintragung von Religionsgemeinschaften erfüllen, ist nach Angaben der Staatsverwalterin noch nicht abschließend geklärt.
– Der Fall werde noch bearbeitet, sagt Hege Skaanes Nyhus, Abteilungsleiterin bei der Staatsverwaltung in Oslo und Viken.
Zeugen Jehovas
- Jehovas Zeugen sind eine Religionsgemeinschaft. Sie glauben, dass die Bibel von Gott (Jehova) geschrieben wurde, mit der Hilfe von Schreibern unter Gottes Anleitung. Daher wird die Bibel als das unfehlbare und vertrauenswürdige Wort Gottes und der einzig notwendige Leitfaden in allen Belangen des Lebens verstanden.
- Jehovas Zeugen wurden in den 1870er Jahren in den Vereinigten Staaten gegründet, zunächst als Bibelstudiengruppe. Schließlich entwickelten sie sich unter der Führung von Charles Taze Russell (1852-1916) zu einer Religionsgemeinschaft.
- Laut eigenen Statistiken waren Jehovas Zeugen bis 2020 in 240 Ländern aktiv und hatten 8 424 185 Mitglieder (aktive Verkündiger) in 120 387 Versammlungen. Dazu kommen Kinder und andere, die keine aktiven Prediger sind.
Quelle: Store norske leksikon und jw.org
Können Vorteile verlieren
Die Ablehnung, Zeugen Jehovas als Religionsgemeinschaft zu registrieren, kann praktische Folgen für die Glaubensgemeinschaft haben.
– Grundsätzlich kann man sagen, dass die Registrierung nach dem Gesetz bestimmte Rechte verleiht. So kann die Gemeinschaft z. B. das Recht auf Eheschließung, einen eigenen Begräbnisplatz und staatliche Subventionen beantragen, sagt Nyhus.
Zudem könne eine Registrierungsverweigerung eine große Symbolwirkung haben, so die Generalsekretärin von STL.
– Der Verlust der Registrierung auf diese Weise kann den Grad der Ausgrenzung erhöhen. Wozu das konkret langfristig führen wird, wissen wir nicht, sagt Ingrid Rosendorf Joys.
Anders sieht es in Fällen aus, in denen Religionsgemeinschaften aus praktischen Gründen die Registrierung verweigert wird, dabei verweist sie auf folgendes Beispiel:
Um registriert werden zu können, muss eine religiöse oder weltanschauliche Gemeinschaft mindestens 50 Mitglieder haben. Unterschreitet eine Religionsgemeinschaft diese Grenze, verliert sie die Registrierung. Dabei geht es um die Form. Aber bei den Zeugen Jehovas gehe es um den Inhalt der religiösen und weltanschaulichen Gemeinschaft, sagt sie.
Joys weist darauf hin, dass Religionsgemeinschaften ihre Tätigkeit auch ohne Registrierung fortsetzen können, aber dadurch eine Reihe von Vorteilen verlieren, etwa die Möglichkeit, Stipendien auszulösen, sowie das Recht zu heiraten.
– Ist es schon einmal vorgekommen, dass einer religiösen oder weltanschaulichen Gemeinschaft auf dieser Grundlage die Registrierung entzogen wurde?
– Ich glaube nicht, dass es irgendeiner Konfession passiert ist, höchstens während des Zweiten Weltkriegs. Davor müssen wir wohl bis ins Jahr 1814 zurückgehen und in die Zeit des Dissensgesetzes. Da gab es einige Konfessionen, die außerhalb der guten Gesellschaft standen.
Berufung mitgeteilt
Nach Angaben der Staatsverwalterin müssen entsprechend der Anordnung des unabhängigen Ministeriums vom vergangenen Frühjahr die Registrierungsbedingungen der Zeugen Jehovas überprüft werden. Nach dem neuen Religionsgemeinschaftsgesetz, das am 1. Januar vergangenen Jahres in Kraft getreten ist, müssen alle Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften innerhalb von zwei Jahren erneut einen Antrag auf Registrierung stellen.
Im Januar wurden Jehovas Zeugen u. a. auf der Grundlage von § 6 KKG Zuwendungen verweigert, was die Landesverwalterin wie folgt begründete:
„Die Glaubensgemeinschaft lässt auch den Ausschluss von getauften Minderjährigen zu. Das bedeutet, dass Kinder ausgeschlossen werden können, wenn sie gegen die Regeln der Religionsgemeinschaft verstoßen. Wir glauben, dass dies eine negative soziale Kontrolle ist und die Rechte von Kindern verletzt. Ungetaufte Kinder, die gegen die Regeln der Religionsgemeinschaft verstoßen, können sozialer Isolation ausgesetzt sein. Dies wird auch als negative soziale Kontrolle und Verletzung der Kinderrechte wahrgenommen. Eine solche Behandlung von Kindern verstößt gegen § 6 KKG.“
§ 4 des Religionsgemeinschaftsgesetzes besagt, dass Religionsgemeinschaften „die Registrierung verweigert oder die Registrierung zurückgenommen werden kann, wenn eine oder mehrere der Voraussetzungen für die Verweigerung der Erteilung in § 6 vorliegen“.
Jehovas Zeugen haben angekündigt, in dem Fall beim Ministerium für Kinder- und Familienangelegenheiten vorzusprechen, und sie geben unter anderem an, dass „ihr Glaube und ihre religiösen Praktiken die Rechte und Freiheiten anderer uneingeschränkt respektieren“.
*Aufgabe einer/s Statsforvalters ist es, die Beschlüsse der Regierung und des Nationalparlaments Storting in den Fylkern (Verwaltungsregionen) durchzusetzen. Die Staatsverwalterin von Oslo und Viken ist die Politikerin Valgerd Svarstad Haugland.
Zum Artikel „Keine staatlichen Mittel mehr für Jehovas Zeugen in Norwegen“ geht es hier.
Auch Schweden will den Zeugen Jehovas staatliche Subventionen verweigern aufgrund der strengen Regeln, die im Gegensatz zu den Grundwerten der Gesellschaft stehen.
Informationen zur rechtlichen Stellung von Jehovas Zeugen in Deutschland und Österreich finden Sie hier.
Internationale Rechtsentscheidungen gegen Zeugen Jehovas aufgrund von Verstößen gegen Landesgesetze und Grund- und Menschenrechte finden Sie hier.
Eine Übersicht zu Rechtssachen rund um Zeugen Jehovas finden Sie hier.