Jehovas Zeugen vs. EZW

Im September 2021 hat die Religionsgemeinschaft Jehovas Zeugen 10 Aussagen der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen im EZW-Text 255 „Jehovas Zeugen – eine umstrittene Religionsgemeinschaft“ von 2018 als unwahre Tatsachenbehauptungen juristisch angegriffen. Am 09.09.2022 kam es zu einem Vergleich vor dem Landgericht Hamburg, von denen beide Parteien berichten (Jehovas Zeugen, EZW).

Korrigierte Aussagen

Von den 10 als unwahr angemahnten Aussagen, unter anderem zum Thema Kindererziehung, Familienfeiern, Organspenden, Rechtstreue der Religionsorganisation und dem Umgang mit ehemaligen Mitgliedern, wurden 4 Aussagen im EZW-Text 255 von 2022 korrigiert. Dabei handelt es sich bei 2 Aussagen um nebensächliche statistische Definitionen. 2 weitere zurückgenommene Aussagen finden sich allerdings in den Publikationen der Zeugen Jehovas eindeutig bestätigt. Dabei nimmt bei einer zurückgenommen Aussage zum Kontaktabbruch innerhalb der Familie das LG Hamburg selbst eine fragwürdige Rolle ein.

Statistische Definitionen zur Anzahl der Mitglieder

Ursprünglich:
„Jehovas Zeugen selbst rechnen sehr konservativ nur die Getauften und aktiven Verkündiger im Predigtdienst zu den Mitgliedern“ (EZW-255, 2008, S.11 – Ein- und Austrittsverhalten)
Korrigiert:
„Jehovas Zeugen selbst rechnen sehr konservativ nur die getauften Verkündiger zu den Mitgliedern.“(EZW-255, 2022, S.11 – Ein- und Austrittsverhalten)

Ursprünglich:
„Die WTG zählt als Zeuge Jehovas diejenigen Personen, die jeden Monat im Predigtdienst aktiv sind […]“ (EZW-255, 2008, S.51)
Korrigiert:
„Die WTG zählt als Zeuge Jehovas (Verkündiger) diejenigen Personen, die jeden Monat im Predigtdienst aktiv sind […]“ (EZW-255, 2022, S.46)

In den offiziellen Statistiken, z.B. im Jahrbuch der Zeugen Jehovas, werden als Verkündiger – Getaufte und zugelassene Ungetaufte – tätige Verkündiger gezählt. Untätige werden nicht gezählt.

Kindererziehung mit körperlicher Gewalt

Ursprünglich:
„In ihren Schriften wird mittlerweile offiziell von körperlicher Gewalt an Kindern abgeraten, im Alltag jedoch werden solche Methoden – gemäß Aussteigerberichten – offenbar weiterhin geduldet und in manchen Fällen sogar gefördert und gutgeheißen.“ (EZW-255, 2008, S.56)
Korrigiert:
„In ihren Schriften wird mittlerweile offiziell von körperlicher Gewalt an Kindern abgeraten, im Alltag jedoch kommen solche Methoden – gemäß Aussteigerberichten – offenbar weiterhin vor.“ (EZW-255, 2022, S.63)

Warum die ursprüngliche Aussage als unwahr gelten soll erschließt sich nicht, da die Publikationen – und damit das Religionsrecht – der Zeugen Jehovas die Aussage eindeutig bestätigt.
„[…] die Rute symbolisiert alle Formen der Erziehung, auch das buchstäbliche Züchtigungsmittel. Eltern sind Gott gegenüber verpflichtet, ihr Kind in Zucht zu nehmen. Eltern, die das nicht tun, bringen nicht nur Verderben und den Tod über ihr Kind, sondern sie bringen auch Schande über sich und ziehen sich Gottes Missbilligung zu“. (Einsichten über die Heilige Schrift August 2022, Band 2 S. 1012, Stichwort „Stab, Stock, Rute“)

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Kontaktabbruch innerhalb der Familie zu ausgestiegenen Mitgliedern

Eingebettet ist die strittige Aussage zum Kontaktabbruch und Ächtung ausgestiegener Mitglieder in folgende Formulierung:
„Offiziell gilt bei den Zeugen Jehovas der Grundsatz, dass Ehemalige als Abtrünnige gemieden werden müssen (Gemeinschaftsentzug). Dieser Grundsatz beinhaltet folglich ein generelles Kontaktverbot bzw. eine strikt umgesetzte soziale Trennung zwischen aktiven und ehemaligen Zeugen.“ (EZW-255, 2008, S.56, EZW-255, 2022, S.65)

Ursprünglich:
„Dies schließt auch Familienangehörige ein, die nicht mehr im selben Haushalt leben.“ (EZW-255, 2008, S.56)
Korrigiert:
Vorgenannter Satz wurde gestrichen. (EZW-255, 2022, S.65)

Warum die Aussagen zum Kontaktabbruch innerhalb der Familie gestrichen wurde, ist ebenfalls nicht nachvollziehbar, da die Publikationen – und damit das Religionsrecht – der Zeugen Jehovas die Aussage eindeutig bestätigt.
„Auch wenn uns das sehr schwer fällt, müssen wir unnötigen Kontakt mit einem ausgeschlossenen Familienmitglied vermeiden — sei es telefonisch, brieflich oder über Textnachrichten, E-Mails oder soziale Netzwerke.“
(w17 Oktober S. 16, Abs. 17-21)

Hier nimmt auch das LG Hamburg eine fragwürdige Rolle ein, da in einem früheren Urteil des selben Gerichts vom 27.11.2020 der Sachverhalt bestätigt wurde.
„Unstreitig lehren die Zeugen Jehovas, dass Kontakt zu ehemaligen Mitgliedern einschließlich Verwandten vermieden werden soll. Ferner kann ein Verhalten, das den Lehren widerspricht, von den Ältesten in Form von z.B. einer Ermahnung geahndet werden, wenn ein ungebührlicher Umgang eines Mitglieds mit einem nicht mehr der Gemeinschaft angehörenden Verwandten festgestellt wird. Gegen das Mitglied können rechtliche Schritte unternommen werden, wenn es „ständig geistige Gemeinschaft mit dem Ausgeschlossenen“ hält oder den Gemeinschaftsentzug offen kritisiert.“ (Punkt 1.26)

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Fazit

Auf 75 Seiten der EZW-Texte 255 von 2018 zum Thema „Jehovas Zeugen – eine umstrittene Religionsgemeinschaft“ werden Lehren, Organisation und Verhalten offensichtlich so genau beschrieben, dass Jehovas Zeugen KdöR keine wesentlichen Punkte finden konnten, die falsch wären und sie bei deren Streichung in einem besseren Licht erscheinen ließen. Wichtige Kritikpunkte konnten sie nicht aus der Welt schaffen.

Die Aussage von Martin Epp, Sprecher von Jehovas Zeugen „Es macht uns äußerst betroffen, dass die falschen Aussagen der Evangelischen Zentralstelle Vorurteile schüren und damit Eltern, die Zeugen Jehovas sind, stigmatisiert wurden. Tatsache ist, dass Erziehung in christlichen Familien von Zeugen Jehovas von Liebe und Zuneigung geprägt ist. Wir sind froh, dass das Gericht anerkannt hat, dass körperliche Gewalt gegen Kinder von unserer Religionsgemeinschaft nicht geduldet wird.“ ist nicht nur falsch, sondern offensichtlich wurde das Gericht teilweise – entgegen den Vorgaben der eigenen Publikationen – bewußt getäuscht.

Seine weitere Feststellung „Die Fälle bestätigen einmal mehr, dass die EZW keine zuverlässige Informationsquelle über Jehovas Zeugen ist.“ ist in keiner Weise wahr und angesichts der Faktenlage absolut nicht nachvollziehbar.

Weitere Informationen

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