Jehovas Zeugen vs. BR

Jehovas Zeugen haben den Bayerischen Rundfunk BR vor dem Landgericht Hamburg verklagt, um die Streichung von insgesamt 3 Aussagen zu erzwingen. Mit dem rechtskräftigen Urteil 324 O 435/21 vom 18.03.2022 wies das Gericht die Klage in 2 Punkten ab. Da ein Punkt mehrdeutig formuliert war, hat das Gericht diesen als unwahr entschieden. Jehovas Zeugen haben keinen Anspruch auf Kostenersatz.

Bestätigte, wahre Aussagen

Widerspruch zum Zwang zum Geschlechtsverkehr in der Ehe

„Ich bin gezwungen worden, mit dem zu schlafen und nach dem Motto, du bist verpflichtet, gemäß der Bibel mit mir zu schlafen, weil das ist eine Verpflichtung in der Ehe.“

Urteil:

„Das von der Klägerin angenommene Verständnis, wonach der Äußerung – jedenfalls auch – zu entnehmen sei, dass die Betroffene von der Klägerin – und nicht vom Ehemann – gezwungen worden sei, entsteht bei einem durchschnittlichen und verständigen Hörer der Sendung nicht […]
Allerdings ergibt sich aus dem Kontext für den Zuhörer, dass die Betroffene sich auf ihren Ehemann bezieht […]
Die Rolle der Klägerin (JZ) schildert die Betroffene im folgenden Absatz in der Weise, dass die Klägerin ihr als Opfer eines Missbrauchs durch ihren Ehemann nicht geholfen habe […] ‚Und dann haben die gesagt, die Beziehung ist lebenslang, und wenn kein Ehebruch vorliegt, gibt’s halt keine Möglichkeit.'“

Damit bestätigt das Urteil, dass Gewalt in der Ehe kein religionsrechtlicher Scheidungsgrund bei Jehovas Zeugen ist der eine neue Beziehung ermöglicht. Indirekt wird damit auch bestätigt, dass ohne Beweise (2-Zeugen-Regel) relegionsrechtlich nichts unternommen wird.

Widerspruch zum Fall von Verleumdung, falls man nichts nachweisen kann

„Weil in dem Moment, wenn man die Polizei einschaltet, obwohl man jemanden nichts nachweisen kann, sehen die das aus einer anderen Sicht, die sagen, dann liegt ein Fall der Verleumdung vor.“

Urteil:

Abmahnung:
„Die […] Äußerung sei unwahr. Eine Strafanzeige bei der Polizei wurde von der Klägerin (ZJ) noch nie als ein Fall von Verleumdung betrachtet. Dies gelte erst recht für Fälle des Kindesmissbrauchs, unabhängig davon, ob die Vorwürfe fundiert seien oder nicht.“

Entscheidung:
„[…] besteht kein Unterlassungsanspruch der Klägerin.
Soweit die Äußerung tatsächliche Elemente enthält, ist prozesual von deren Wahrheit auszugehen […]
Anders als von der Klägerin angenommen, geht das Verständnis der Äußerung nicht dahin, dass eine Strafanzeige bei der Polizei nach dem Religionsrecht der Klägerin als ein Fall der Verleumdung angesehen würde. Ein so spezifischer Inhalt ist der Äußerung nicht zu entnehmen […]
Soweit sich aus dem Religionsrecht der Klägerin nach dem Vortrag der Klägerin – und insoweit auch unstreitig – ergebe, dass Opfer deutlich über ihr Recht zu informieren seien, Anzeige bei staatlichen Stellen zu erstatten, schließt dies keinesfalls aus, dass der Betroffenen gleichwohl mitgeteilt wurde, dass eine Anzeige eine ‚Verleumdung‘ sein könne […]
Hinzu kommt, dass sich die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten in einem Schreiben vom 10.05.2019 an den Südwestrundfunk tatsächlich in ganz vergleichbarer Weise geäußert hat. In dem Schreiben führen die Prozessbevollmächtigten der Klägerin aus: ‚Schließlich sei darauf hingewiesen, dass es in den Fällen, in denen ein Mitglied unserer Mandantschaft Vorwürfe von Kindesmissbrauch allgemein verbreitet und es hierzu weder ausreichende Beweise gibt noch von dem mutmaßlichen Opfer eine Strafanzeige erstattet wird bzw. Strafermittlungen eingestellt werden, das betreffende Mitglied berechtigterweise darauf hingewiesen werden muss, dass es bei weiterer Verbreitung dieser nicht bestätigten Vorwürfe sich der Gefahr der üblen Nachrede oder schwerer Verleumdung aussetzt. Dass die Verbreitung solcher schwerer nicht bestätigter Vorwürfe strafrechtliche wie auch religionsrechtliche Konsequenzen haben kann, ist sicher nachvollziehbar.'“

Das Urteil des Gerichts ist auch in vergleichbaren Fällen bei Kindesmissbrauch relevant, da auch dort meist kein zweiter Zeuge die Tat bestätigen kann.

Aussage mit Unterlassungsanspruch

Kein Fall der Polizei durch die Organisation gemeldet

„Kein einziger Fall war der Polizei gemeldet worden.“

Urteil:

„Die Äußerung ist aufgrund der Passiv-Konstruktion und des Fehlens eines Subjekts mehrdeutig. Sie wird von einem Teil der Zuhörer dahin verstanden, dass die Glaubensgemeinschaft der Z.J. in Australien keinen einzigen Fall der Polizei gemeldet hätten. Ein anderer Teil versteht die Äußerung dahin, dass niemand, also beispielsweise auch nicht die Betroffenen selbst oder deren Angehörige, den Fall der Polizei gemeldet hätte […]
Das erste Verständnis hat jedenfalls prozessual als wahr zu gelten. Die Klägerin trägt nicht vor, dass sie selbst (oder ihre australische Organisation) Meldungen bei der Polizei getätigt hätte […]
Das zweite Verständnis ist unwahr, denn unstreitig sind der Polizei Fälle bekannt geworden. Zudem gab es auch gerichtliche Verurteilungen. In dem Bericht der R.C. (Royal Commission) heißt es dazu: ‚A letter in evidence before the R.C. shows that Watchtower Australia’s own review of the 1,006 case files established that ‚383 alleged perpetrators had been dealt with by either police or secular authorities in the respective States or Territories in which thy reside‘ sowie weiter: ‚Similarly, the case files record that 161 of the alleged perpetrators recorded in the files hab been convicted of a child sexual abuse offence.‘ […]
Nach den für mehrdeutige Äußerungen geltenden Grundsätzen ist für die Beurteilung eines Unterlassungsanspruchs das unwahre zweite Verständnis zugrunde zu legen. […]“

Die Aussage „Kein einziger Fall war der Polizei gemeldet worden“ durch die Organisation der Zeugen Jehovas ist damit als wahr eingestuft.

Fazit

Der BR hat in seiner Sendung „Zeuge Null – missbraucht von den Anhängern Jehovas“ vom 10.01.2021 in B2 Regeln und Verhalten in Missbrauchsfällen offensichtlich so treffend beschrieben, dass Jehovas Zeugen KdöR keine wesentlichen Punkte finden konnten, die falsch wären und sie bei deren Streichung in einem besseren Licht erscheinen ließen.

Die Pressemitteilung der Zeugen Jehovas vom 13.06.2022 „Unseriöse und diskriminierende Berichterstattung über Jehovas Zeugen“ – die nicht genau spezifiziert, um welche öffentlich rechtliche Rundfunkanstalt es sich dabei handeln soll und zu der uns auch kein weiteres Urteil in diesem Zeitraum bekannt ist – ist für die vorgenannte Sendung jedenfalls völlig unzutreffend und falsch.

Gratulation zu dieser hervorragenden Sendung und zu dem positiven Gerichtsurteil!

Weitere Informationen

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