ÜberLebensweg – Bernd

Bernd
1. Wie bist du zu den Zeugen Jehovas gekommen? 

Ich wurde leider hineingeboren. Meine Großeltern wurden wie so viele andere nach dem Zweiten Weltkrieg gefischt. Meine Mutter hat sich dann in ihrer Jugend ebenfalls dieser Sekte angeschlossen.

2. Wie hast du dein Leben, deinen Alltag in dieser Religionsgemeinschaft erlebt?

Ich erinnere mich, wie sehr ich schon in früher Jugend eine innerliche Abneigung verspürt habe. Undefinierbar, aber stets präsent. Die regelmäßigen Versammlungen, damals noch in Hinterzimmern von Kneipen, empfand ich stets als Muss. Meine Mutter bestand auf Teilnahme.
Später dann ließ ich mich taufen, da ich eine Zeugin heiratete. Diese Ehe war geprägt von endlosen Diskussionen, weil ich meine damalige Frau überzeugen wollte, mit mir gemeinsam diese Religion zu verlassen. Mein Unwohlsein verstärkte sich im Laufe der Jahre immer mehr. Versammlungsbesuche waren für mich der pure Horror, weil ich als erwachsener Mann zwischen dem schönen Schein und der Realität zu unterscheiden begann.
Zu kämpfen hatte ich mit der Doppelmoral, Doppelzüngigkeit und dem Meiden meiner Person, da ich keinem der etablierten Clans angehörte, sondern zugereist war.

3. Wie kam es, dass dunun kein Mitglied der Zeugen Jehovas mehr bist?

Meine Ehe zerbrach nach 18 Jahren, hauptsächlich weil meine damalige Ehefrau die so genannte Liebe zu Jehova über die Familienbedürfnisse stellte. Das Kuriose an der Sache ist, dass sie am Tag der Ehescheidung aus der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas ausgestiegen ist und nie wieder den Versuch einer Rückkehr unternahm.
Ein ausschlaggebendes Ereignis für meinen Austritt gab es nicht. Ich wollte eigentlich nie ein Mitglied dieser Gemeinschaft sein. Als sich mein Unwohlsein verstärkte, musste ich gehen.

4. Wie stark warst du im Glauben und in der Gemeinschaft verankert? 
Wann und warum hast du begonnen zu zweifeln und deinen Glauben in Frage zu stellen?

Ich war nie dort verankert. Es war ein stetiger persönlicher Kampf, um überhaupt zu den Treffen zu gehen. Meinen Glauben habe ich nicht hinterfragen können, da ich nicht glaubte/glaube. Es war für mich, so lange es irgend ging, einfach ein mitlaufen, da meine Exfrau dort hinging. Ich kann mich an Magenschmerzen erinnern, wenn ich den Saal betrat, an Kribbeln auf meiner Haut. Symptome, die sofort nach meinem Ausstieg endeten. 

5. Bist du von Ächtung betroffen? Wenn ja, in welchem Ausmaß?

Meine Mutter, als auch meine Schwester sind Extremzeugen, die sich strikt an die Vorgaben der WTG halten. Sabine, meine Schwester, habe ich seit gut 20 Jahren nicht mehr gesehen. Bei meiner Mutter dürfte es ähnlich lange her sein. Damalige Kontaktversuche gingen stets von mir aus. Ob meine Mutter überhaupt noch lebt, kann ich nicht sagen. Von meiner Schwester und ihrem Mann, einem ehemaligen Ältesten, wurden meine Telefonnummer, aber auch alle weiteren Medien blockiert. Deshalb ist eine Kontaktaufnahme unmöglich. Auf ein sehr persönliches Schreiben, vor ungefähr einem Jahr abgeschickt, gab es keine Reaktion.

6. Wie geht es dir heute? Mit welchen Auswirkungen hast du noch zu kämpfen?

Seit meinem Austritt geht es mir gut. Nebenwirkungen sind zum Glück nicht aufgetreten.
Ängste kenne ich nicht.

7. Welches Fazit ziehst du für dich persönlich aus deiner Vergangenheit?

Ich habe mich rechtzeitig aus dieser Sekte befreien können, allerdings war der Preis dafür eine gescheiterte Ehe.

8. Welchen Rat möchtest du Interessierten der Glaubensgemeinschaft, bzw. bereits zweifelnden Mitgliedern mitgeben?

Sollten Zeugen Jehovas, in welcher Form auch immer, Kontaktversuche unternehmen um Mitglieder zu werben ist es ratsam, dieses SOFORT zu unterbinden. Erfahrungen zeigen, wie schnell man in diese Gruppierung abgleiten kann. Man verliert Freunde und Angehörige, da Zeugen Jehovas es ungern sehen, wenn alte Kontakte aufrechterhalten werden. Sie leben in einem geschlossenen System, in dem es nur Platz für ihresgleichen gibt. Alle anderen sind Weltmenschen, vor denen man sich zu schützen hat.
Zweifelnden Mitgliedern empfehle ich, das Internet zu durchforsten. Es gibt unzählige gute Seiten, die sich dem Thema Zeugen Jehovas aus neutraler Sicht nähern. Sei es nun JZ.help oder Bruderinfo-aktuell.org