Sich von einer Endzeitsekte, religiösen Randgruppierung oder religiösen Sondergemeinschaft zu lösen scheint – von außen betrachtet – befreiend zu wirken. Ein Mitglied kehrt der Gruppierung den Rücken und damit scheint alles wieder im Lot. Wunderbar!
Doch weit gefehlt!
Sich von einer Glaubensgemeinschaft oder einem Kult zu lösen, bedeutet nicht automatisch frei zu sein. Frei von den Lehren und Prophezeiungen, den Ängsten und der Panik. Viele Menschen die aussteigen stecken weiterhin wegen der über viele Jahre erfolgten Indoktrination im alten Glauben fest und sind weiter im Glaubenskonstrukt der entsprechenden Gemeinschaft gefangen.
So, wie das bei vielen ehemaligen Mitgliedern der Zeugen Jehovas der Fall ist.
Darüber hinaus sehen sich diese mit den realen Konsequenzen ihres Ausstieges konfrontiert, wie z.B. dem Kontaktentzug zu allen Mitgliedern der Gemeinschaft, auch den eigenen Eltern, Geschwistern, Verwandten. Nicht zuletzt bleibt die irreale Angst vor der Endzeit und vor der Strafe Gottes, der man ja nur als Mitglied der ZJ entkommen könnte.
Von Ehemaligen, denen bei aktuellen Weltkrisen der kalte Angstschweiß ausbricht, weil diese als Vorboten der Endzeit gedeutet werden, hören wir oft.
Wir vom Verein vermuten eine hohe Dunkelziffer an Betroffenen.
Wie kommt das?
Sekten oder auch religiöse Randgruppierungen wie die Zeugen Jehovas arbeiten mit Techniken, die der amerikanische Kultspezialist Steven Hassan in seinem BITE-Modell zusammenfasst.
Anhand manipulativer Techniken wird eine Sektenpersönlichkeit gezüchtet und das wahre, echte Ich beiseitegedrängt. Glaubenssätze, Programmierungen und Indoktrination sitzen dadurch tief verwurzelt und lassen sich nicht ohne weiteres ablegen. Man spricht auch vom Mindcontrol, der Bewusstseinskontrolle. Ein Mechanismus, der tiefer in die Persönlichkeit, in das Denken, Handeln und letztendlich auch Leben eines Mitgliedes eingreift, als es eine Gehirnwäsche vermag.
In diesen Tagen des Krieges in der Ukraine denken wir ganz besonders an die schutzlosen Kinder in diesen Gemeinschaften, aber eben auch an jene Menschen, die zwar den Zeugen Jehovas den Rücken gekehrt haben oder ausgeschlossen wurden, aber noch immer gefangen sind in deren Glaubenskonstrukt. Wir denken an die Menschen, die nun in der Krise des Krieges und zeitgleich zu einer herrschenden Pandemie die Erfüllung einer Prophezeiung zu sehen glauben. Die Prophezeiung, nach der wir nun unsere letzten Tage erleben. Laut deren Interpretation der Bibel wird es Zeichen geben, die auf den kurz bevorstehenden Krieg Gottes hinweisen. Naturkatastrophen, Seuchen (Pandemie), Kriege. Jehova Gott wird mit seiner blutigen und grausamen Schlacht „Harmagedon“ dem jetzigen System ein Ende machen. Dieses Szenario versetzt viele ehemalige Mitglieder in Angst und Schrecken, den eigenen grausamen Tod vor Augen. Eine allzu reale Angst in einem unrealen Weltbild.
Warum kehren Ehemalige zu den Zeugen Jehovas zurück?
Überleben und auf Erden in paradiesischen Zuständen leben dürfen nur jene, die „Seiner“ einzig wahren Religion und Organisation auf Erden treu waren. Die Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas sind überzeugt davon, diese Auserwählten zu sein. Wer sich von ihnen abwendet, wird von der Gemeinschaft als „Ungeziefer“ tituliert und ist dem Tode geweiht.
Noch immer im fest indoktrinierten Glauben daran, dass diese Lehren der Wahrheit entsprechen, empfinden Ausgestiegene oft Todesangst. Fest überzeugt davon, jeden Moment von Gott bestraft und getötet zu werden, zu verbrennen, erschlagen oder in einer Erdspalte verschlungen zu werden.
Es sei denn, man kehrt noch rechtzeitig um. Das durch die Organisation aufgebaute Angstszenario ist grausam und wirkt. Leider!
Verstärkt durch Rückholversuche der in der Glaubensgemeinschaft verbliebenen Angehörigen, durch Statusbildchen in den sozialen Medien und Messengerdiensten:
Komm zurück zu Jehova!
Es wird jeden Moment so weit sein!
Manch ehemaliges Mitglied setzt nun alles daran, auf den letzten Meter in die vermeintlich rettende Organisation zurückzukehren, um das nackte Leben zu retten.
Einen weiteren Vorteil hätte die Rückkehr zu Jehova: Die bis dahin ächtenden Angehörigen in der Gemeinschaft wenden sich dem Zurückkehrenden mit offenen Armen zu und dürfen nach der Wiederaufnahme des Sünders wieder Kontakt zu ihm pflegen.
Es ist ein perfides System, Anhängerschaften durch Angst abhängig zu machen, allein zum Nutzen einer Organisation, in der Regel zum Nutzen einzelner Führer der Sekten. Ein gemeines Vorgehen, das für so manchen psychischen „Schaden“ bei den involvierten Menschen verantwortlich ist.
Was hilft Betroffenen?
Betroffenen bleibt die schwierige Aufgabe, sich kritisch mit der Religion und seinem bisherigen Glauben auseinanderzusetzen.
Im besten Fall um feststellen zu dürfen, dass das Gelernte nicht der so hoch gepriesenen Wahrheit entspricht, sondern dass man manipuliert wurde. Für die egoistischen Zwecke einer selbsternannten göttlichen Organisation. Eine sicherlich schmerzhafte, aber auf Dauer heilsame Erkenntnis. Hilfen zu dieser Erkenntnis können wissenschaftliche Abhandlungen oder Berichte von Ausgestiegenen sein, die sich bereits seit Jahren kritisch und sachlich mit der Thematik befassen.
Von der Organisation werden die Autoren „Küchenhelfer Satans“ genannt.
Fühlst du dich angesprochen?
Empfindest du Furcht aufgrund der aktuellen Weltlage?
Todesangst und Panik?
Damit bist du nicht alleine!
Wir arbeiten eng mit Betroffenen zusammen und hören tagtäglich von ihrer Not.
Wenn du Hilfe brauchst, dann wende dich gerne an unseren Verein. Wir unterstützen durch Beratung und vermitteln Kontakte zu anderen Betroffenen, die sich in Gruppen stützen und füreinander da sind. Das Angebot ersetzt keine Therapie, ist aber ein erstes Auffangnetz.
Wir stellen fest, dass sich in diesen Aussteigergruppen mehr und mehr Zeugen Jehovas einreihen, die das Konstrukt hinter ihrer Religion durchblickt haben und Gleichgesinnte suchen. Dabei allerdings, um den Schein für den Moment noch zu wahren, in der Glaubensgemeinschaft bleiben.
Auch, um nicht ihre Familien durch die Ächtungspraxis zu verlieren, Eltern, Großeltern, Kinder, Geschwister und Freunde.
Wer weiss? Vielleicht ist einer der Glaubensbrüder und -schwestern aus deinem Königreichssaal bereits einer von ihnen?