Bluttransfusionsverbot

Jehovas Zeugen verbieten ihren Mitgliedern – auch getauften, minderjährigen Kindern – im Religionsrecht Bluttransfusionen, auch wenn dies den Tod bedeutet.

Jehovas Zeugen stellen das Bluttransfusionsverbot jedoch nach außen so dar, als ob dies eine persönliche Entscheidung wäre.

Stellungnahme der Leitung der Zeugen Jehovas

Die Argumentation ist vielleicht bei Erwachsenen noch nachvollziehbar. Wie ist es jedoch bei Kindern? Viele Kinder von Zeugen Jehovas lassen sich im Alter zwischen 10 und 16 taufen. Können minderjährige Kinder eine so weitreichende Entscheidung treffen? Wurde dies tatsächlich von den höchsten Gerichten Deutschlands anerkannt?
Warum unterliegen dann aber auch ungetaufte Kinder dem Blutverbot?

Sanktionen

Die internen, geheimen Anweisungen im Religionsrecht zeigen deutlich, dass nach Verabreichung einer Bluttransfusion ein Komitee darüber entscheidet, ob der/die Betreffende weiterhin ein Zeuge Jehovas ist. Damit besteht praktisch kein Unterschied zu einem Ausschluss außer, dass keine Berufung möglich ist.

Jemand enthält sich bewusst nicht von Blut und bereut nicht: Willigt jemand in eine Bluttransfusion ein – vielleicht unter extremen Druck -, sollte ein Komitee (kein Rechtskomitee) den Sachverhalt und die Einstellung des Betreffenden feststellen […] Stellt das Komitee jedoch fest, dass keine Reue vorliegt, lässt es bekannt geben, dass der Betreffende kein Zeuge Jehovas mehr ist“ (Ältestenbuch sfl-X, Okt. 2022, Kap. 18, Punkt 3)

Eine Analyse des Religionsrechts der Zeugen Jehovas zum Blutverbot mit der Konsequenz der Ächtung für die Betroffenen und den negativen Folgen für Familienmitglieder

Gerichtsurteile bestätigen Sanktionen

Das Landgericht Hamburg stellte mit Urteil vom 27. November 2020 folgendes fest:

„Ihren Kindern medizinisch indizierte Bluttransfusionen zu verweigern darf als Begehung eines Verbrechens angesehen werden.“(1.4)

„Die Annahme einer Bluttransfusion führt zum Ausschluss aus der Gemeinschaft falls der Betreffende dies nicht bereut.“ (1.24)

Todesopfer aufgrund des Blutverbots

Kinder als Märtyrer

Im Mai 1994 erschien ein Erwachet! mit dem Titel „Jugendliche, die Gott den Vorrang geben“. Das Cover zieren 26 Gesichter von Kindern und Jugendlichen, drei Kinder sind grösser und im Vordergrund abgebildet. Auf Seite 2 in der Textvorschau heißt es: „In alter Zeit waren Tausende von Jugendlichen bereit zu sterben, weil sie Gott den Vorrang gegeben haben. Heute ist es nicht anders, nur spielt sich das Drama in Krankenhäusern und Gerichtssälen ab — es geht um Bluttransfusionen.“ Auf den Seiten 3-15 werden die Geschichten dieser Kinder erzählt, die starben, weil sie eine Bluttransfusion ablehnten.
Eine Zusammenfassung zum Blutverbot für Kinder ist hier zu finden.

Anthony Morris glorifiziert Tod eines Jungen

Anthony Morris, Mitglied der achtköpfigen Leitenden Körperschaft, sprach am Sommerkongress 2016 in Knoxville in Tennessee. Er glorifiziert in seiner Rede den Tod eines Jungen, der aufgrund einer verweigerten Bluttransfusion starb.

Anthony Morris 2016 auf Kongress in Knoxville, Tennessee
Gary Breaux verherrlicht den Tod eines Kindes

Gary Breaux verherrlicht den Tod eines Kindes, dem eine Bluttransfusion verweigert wurde, in der Ansprache „Wie viel bedeutet dir das Gebet“ vom August 2019 bei JW Broadcast (ab Min. 15:51)

In einem Artikel von Hemant Mehta vom 30. August 2019 wird die traurige Begebenheit ausführlich erläutert und bewertet (deutsche Übersetzung):
„Zeugen Jehovas ließen Sohn sterben, indem sie ihm Bluttransfusion verweigerten.“

Weitere Erläuterungen zum Blutverbot

Wissenschaftliche Artikel zum Thema

Biostatistische Schätzung der Opfer des Blutverbots

Jehovah’s Witnesses and Blood – Tens of Thousands Dead in Hidden Tragedy – Artikel von Lee Elder vom 9. August 2017 auf der Website der Organisation «Advocats of Jehovah’s Witnesses on Refom on Blood». Es handelt sich um eine biostatistische Schätzung der Anzahl aufgrund des Blutverbots verstorbener Zeugen Jehovas zwischen 1961 und 2016. Die Schätzung reicht von 33 200 (konservativ) bis 57 600 Menschen, die ihr Leben infolge der Blutdoktrin verloren haben.

Deutschland

Bluttransfusion bei Zeugen Jehovas – ja oder nein?
oberarzt-heute.de 27.10.2017

Bluttransfusion bei minderjährigen Kindern Zeugen Jehovas – Einschränkungen des Elternwillens bei Kindeswohlgefährdung.
„Die Sorgeberechtigten nehmen zur Kenntnis, dass der Arzt auch gegen ihren Willen und ohne Gerichtsbeschluss rechtlich verpflichtet ist, wenn keine Möglichkeiten einer transfusionsfreien Behandlung bestehen, im Notfall dem Kind Bluttransfusionen zu verabreichen, um damit das Leben des Kindes zu retten oder ernsthafte Gesundheitsschäden zu verhindern.“
Beim Aufklärungsgespräch sollte explizit darauf hingewiesen werden, dass eine Entscheidung für oder gegen eine Bluttransfusion der Geheimhaltung gegenüber Dritten unterliegt. Die ärztliche Schweigepflicht gilt auch gegenüber Mitgliedern eines Krankenhausverbindungskomitees der Zeugen Jehovas.
Leitlinie Asklepios Klinik Sankt Augustin, 08.04.2011

Medizin in Frage & Antwort: Notfallbehandlung bei Zeugen Jehovas
Thieme 04.08.2006

Rechtsmedizinischer Standpunkt, ärztliche Handlungspflicht, Entscheidungsrecht der Eltern ist begrenzt.
Kinderklinik der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München, Seite 709 – 712, Oktober 1991

Medikolegale Sicherheit im Umgang mit Bluttransfusionen bei Jehovas Zeugen und deren Kindern
SpringerMedizin.de – Mein Arztwissen. Aktuelle, verlässliche Information und Fortbildung für Ärzte im Berufsalltag

Bulgarien

In einer Vereinbarung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) musste ein Passus in die Statuten der Organisation aufgenommen werden, dass die lebensrettende Maßnahme der „Bluttransfusion“ straffrei und ohne Konsequenzen erlaubt sind. Allem Anschein nach hintergehen die Zeugen Jehovas diese Vereinbarung.
Zeugen Jehovas und die Bulgarien-Vereinbarung zum Blutverbot

Österreich

Kindeswohl – darf die Religion Bluttransfusionen für Kinder verbieten?
Kinder von sieben bis 14 Jahre gelten in Österreich als unmündige Minderjährige, für die die Eltern zu entscheiden haben. Druml betont: „Es gibt eine zu achtende Autonomie der Eltern in ihrer Rolle als Erzieher, jedoch darf das Kindeswohl nicht verletzt werden.“
Zwischen 14 und der Volljährigkeit mit dem 18. Lebensjahr gelten Kinder vor dem Gesetz als mündige Minderjährige. Hier ist zu prüfen, inwieweit ein junger Patient in der Lage ist, ohne Druck von seinen Eltern und/oder einer Glaubensgemeinschaft sowie in Kenntnis der Rechtslage und den konkreten Konsequenzen eine Entscheidung zu treffen. Kann er das, muss seine Ablehnung berücksichtigt werden. Ärzte können in dieser Situation – wie im Film – letztlich ein Gericht mit dem Fall befassen.
Kurier, 09.09.2018

Schweiz

Verweigerung einer Bluttransfusion für ein Kindes aus religiösen Gründen?
Soweit das Kind urteilsfähig ist, entscheidet es selber über medizinische Heilbehandlungen und somit auch über Bluttransfusionen. Die Sorgeberechtigten können sich einer Verweigerung oder Einwilligung nicht entgegenstellen.
Soweit eine Bluttransfusion medizinisch indiziert ist, sind zunächst Alternativen zur Bluttransfusion zu suchen. Fehlen solche und würde das Kind ohne Transfusion geschädigt, so habe die Interessen der Sorgeberechtigten zurück zu stehen. Verweigern die Sorgeberechtigten die Bluttransfusion (weiterhin), so ist die Kindesschutzbehörde einzuschalten.
Schweizerische Vereinigung der Berufsbeständinnen und -beistände, 25.04.2011

Weitere Pressemeldungen

„Wir hätten ihn retten können“
Blut-Transfusion abgelehnt! Zeuge Jehovas stirbt bei Routine-OP – Krankenpflegerin muss hilflos zusehen
RTL News, 29.10.2021

Nigeria – Interview mit einem Vater, der eine Bluttransfusion für sein an Gelbsucht leidendes Baby ablehnte und die Behörden darauf hin eine Bluttransfusion anordneten.
punch newspaper, 28. Januar 2020, deutsche Übersetzung

Paraguay, Asunción – Zeuge Jehovas hat Bluttransfusion zu akzeptieren.
Das Recht auf Leben hat in der Nationalen Verfassung oberste Priorität und steht über der Religionsfreiheit.
wochenblatt.cc, 09.08.2019

England – Ärzte dürfen Mädchen Bluttransfusion geben, obwohl die Eltern als Zeugen Jehovas dagegen sind.
In einem englischen Kinderkrankenhaus schwebte ein kleines Mädchen in Lebensgefahr. Eine Bluttransfusion würde ihren Zustand sofort bessern – doch die Eltern sind Zeugen Jehovas und dürfen diese Behandlung daher nicht erlauben. Der Fall kam vor Gericht.
stern.de, 28.06.2019

Schweiz – Zeuge Jehovas akzeptierte Bluttransfusion nicht – jetzt haben ihn die Richter ausgebremst – ein wegweisendes Urteil, denn er blitzte auch beim Bundesgericht ab.
watson.ch, 23.04.2018

Sydney – In Australien hat ein krebskranker 17-Jähriger dagegen geklagt, dass ihm lebensrettende Bluttransfusionen verabreicht werden – und nun vor Gericht eine Niederlage erlitten. Ein Gericht entschied nun: Die Mediziner dürfen ihn auch gegen seinen Willen behandeln – allerdings nur bis zu seinem 18. Geburtstag.
Spiegel, 27.09.2013

Urteil – Zeuge Jehovas „Nein“ zur Bluttransfusion führt zu milderer Strafe.
Der Verursacher eines Verkehrsunfalls, in dessen Folge ein junger Mann zu Tode kam, der als Zeuge Jehovas eine angezeigte Bluttransfusion verweigert hatte und starb, wurde deswegen nun milder bestraft.
ekir.de 27.10.2011

Österreich, Wien – Bluttransfusion verweigert: An Tod selbst schuld.
Aus Glaubensgründen lehnte ein Mitglied der Zeugen Jehovas die nötige Hilfe ab. Nach ihrem Ableben forderte der Ehemann Schadenersatz – und scheiterte.
diepresse.com, 21.08.2011, OGH | 2 Ob 219/10k | 22.06.2012

Deutschland – Zeuge Jehovas stirbt nach verweigerter Bluttransfusion.
Christian G. stirbt nach einem Motorrad-Unfall im Krankenhaus. Das Tragische: Sein Leben hätte mit einer Bluttransfusion gerettet werden können. Doch der junge Familienvater war Zeuge Jehovas – die Glaubensgemeinschaft verweigert Bluttransfusionen.
RTL.DE, 22.06.2010

Selters/Gießen (dpa) – Nach dem Tod einer 29 Jahre alten Zeugin. Jehovas wegen einer abgelehnten Bluttransfusion hat die Religionsgemeinschaft die behandelnden Ärzte und Pfleger der Klinik im mittelhessischen Lich in Schutz genommen.
Frankfurter Rundschau, 08.09.2008

Österreich – Bestürzung nach Tod von 19-Jährigem Zeugen Jehovas.
Ärzte mussten einen 19-Jährigen während einer Operation verbluten lassen. Er hatte eine Bluttransfusion verweigert. 
Wien ORF.at, 30.03.2006

Österreich/Wien – Verweigerte Bluttransfusionen: AKH musste Zeugen Jehovas verbluten lassen.
Ärzte betroffen – Patienten hätte ohne weiteres medizinisch geholfen werden können
DERSTANDARD, 31.03.2006

Zeugen Jehovas: Kritik am Transfusionsverbot nimmt zu.
Die Zeugen Jehovas lehnten Bluttransfusionen auch bei vitaler Indikation ab.
Deutsches Ärzteblatt, 2002