Offener Brief an „Jehovas Zeugen in Österreich“

Im Sinne der Kinderrechte:
Elf Forderungen anlässlich des Wachtturm-Opfergedenktages 2020

Anlässlich des internationalen Gedenktages für die Opfer der Wachtturm-Organisation wiesen Aktivisten unter dem Motto „Kinderrechte gelten für alle – auch für Kinder der Zeugen Jehovas!“ auf die schwierige Situation von Kindern in der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas hin. Neben einer Kundgebung, die am Samstag, den 25. Juli 2020 im Zentrum Wiens am Stephansplatz stattfand, ging auch ein offener Brief an den Vorstand der Jehovas Zeugen in Österreich. Der Brief enthält elf Forderungen zur Respektierung der Kinderrechte bei den Zeugen Jehovas.

Erste Seite des offenen Briefes an den Vorstand der Jehovas Zeugen in Österreich.

In Österreich hat die Gemeinschaft der Jehovas Zeugen seit 2009 den Status einer gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaft. In dieser Stellung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nimmt sie Aufgaben öffentlichen Interesses wahr. Damit sind neben religiösen auch soziale, gesellschaftliche und kulturpolitische Aufgaben gemeint, die dem Gemeinwohl dienen. Außerdem genießen Jehovas Zeugen Österreich dadurch verschiedene Privilegien.

Die Erfahrung zeigt leider, dass die religiöse Praxis der Jehovas Zeugen Elemente beinhaltet, die mit diesem Anspruch in Konflikt stehen. Als Opferhilfeverein ist JZ Help täglich mit enormem Leid konfrontiert: An den Verein wenden sich Betroffene und Fachpersonen mit Berichten zu Formen psychischer, körperlicher und sexueller Gewalt innerhalb der religiösen Gemeinschaft. Besonders Kinder sind davon in hohem Maß betroffen.

Zuständigkeit: Das Kultusamt

In Österreich fallen die religiösen Interessen der Staatsbürger*innen dem Kultusamt zu. Religionsfreiheit umfasst einerseits Rechte, die Kirchen und Religionsgesellschaften bei der Religionsausübung haben, und andererseits die Individualrechte, die jede*r Bürger*in hat. Zu letzteren gehört das Recht, die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft frei zu wählen, diese wechseln oder auch gar keiner angehören. Problematisch wird es, wenn eine Religionsgemeinschaft praktiziert, dass jemand bei Austritt seine Familie und sein soziales Umfeld verliert – hier sehen wir das Individualrecht der Religionsfreiheit unterlaufen.

Das Kultusamt ist in Österreich die Anlaufstelle, wenn es um Anliegen der österreichischen Staatsbürger*innen im Zusammenhang mit gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaften, wie zum Beispiel der Jehovas Zeugen in Österreich, geht. (Jene liegen außerhalb des Zuständigkeitsbereiches der Bundesstelle für Sektenfragen, weshalb diese selbst bei häufigen Anfragen nicht tätig werden darf.) Probleme und negative Erfahrungen sollten daher dem Kultusamt mitgeteilt werden.


Jedes Kind der Welt hat ein Recht darauf, gesund und sicher aufzuwachsen, sein Potenzial zu entfalten, angehört und ernst genommen zu werden.

Konvention über die Rechte des Kindes

Die elf Forderungen im Überblick

  1. Aufhebung des Kontaktverbotes und Aufgabe der sozialen Ächtung
  2. Achtung des Individualrechtes der Religionsfreiheit
  3. Keine Verängstigung durch Vorstellungen wie Teufel, Dämonen und Harmagedon
  4. Keine Überforderung von Kindern durch die religiöse Praxis
  5. Keine soziale Ausgrenzung von Kindern
  6. Keine Stigmatisierung von politischer und gesellschaftlicher Partizipation
  7. Keine Diskriminierung aufgrund von Geschlecht oder sexueller Orientierung
  8. Keine Stigmatisierung von höherer Bildung oder Karriere
  9. Kein Blutverbot im medizinischen Bereich
  10. Klare Distanzierung von körperlicher Gewalt in der Erziehung
  11. Behandlung von sexueller Gewalt gegen Kinder als Verbrechen

Detailliertere Informationen zu den Forderungen:

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