Medienmitteilung vom 23. Juli 2019

26. Juli – Internationaler Gedenktag für die Opfer der Wachtturm-Organisation

70 Jahre Grundgesetz – doch es gilt (noch) nicht für alle: Die Würde des Menschen wird antastbar, wenn religiöse Normen Grundrechte unterlaufen.

Weltweit machen Betroffene und Menschenrechtsaktivisten anlässlich des internationalen Gedenktages für die Opfer der Wachtturm-Organisation auf Grund- und Menschenrechtsverletzungen bei den Zeugen Jehovas aufmerksam – auch JZ Help e.V. und der Goldene Aluhut, u.a. mit einem Stand am Alexanderplatz in Berlin. Wir gedenken der Betroffenen der Wachtturm-Doktrin:

  • Menschen, die durch das Ächtungsgebot Eltern, Kinder, Partner und Freunde verloren haben.
  • Menschen, die von sexuellem Kindesmissbrauch betroffen sind.
  • Menschen, die aufgrund des Blutverbotes der Zeugen Jehovas gestorben sind.

Die Ächtung Ausgeschlossener ist so rigoros, dass daran Familien zerbrechen können

Zeugen Jehovas wird geboten, getaufte Mitglieder, welche die Gemeinschaft verlassen oder ausgeschlossen werden, zu ächten – auch engste Familienmitglieder wie Eltern, Geschwister und eigene Kinder, die nicht mehr in der gemeinsamen Wohnung leben. Jeder Umgang mit ihnen soll vermieden werden, sie sollen nicht einmal mehr gegrüßt werden. Viele Betroffene erleben schwere psychische Krisen, manche bringen sich aus Verzweiflung um.

Die Taufe, welche die Mitgliedschaft begründet, findet z.T. schon im Alter von acht Jahren statt. Einmal getauft, ist eine Person in Bezug auf ihre religiösen Entscheidungen und ihre Lebensführung nicht mehr frei: Verlässt sie den Glauben oder verstößt sie gegen die engen Vorschriften, wird sie ausgeschlossen und verliert damit ihr gesamtes soziales Umfeld. Sie muss sich entscheiden: Freie Wahl der Religion oder Verlust aller geliebten Menschen.

Die religiösen Normen fördern Formen von Gewalt

Die Zeugen Jehovas haben eine eigene Gerichtsbarkeit, welche sich (auch) bei sexueller Gewalt an Kindern zuständig sieht. Es gilt die Zwei-Zeugen-Regel. Gibt es keinen zweiten Zeugen für ein Verbrechen, was gerade bei einem Sexualdelikt meist der Fall ist, wird die Sache in Jehovas Hände gelegt. Opfer haben dann zu schweigen. Falls der mutmaßliche Täter zur gleichen Versammlung gehört, müssen sie weiter­hin mit ihm zweimal wöchentlich die Versammlung besuchen. Sexueller Kindesmissbrauch kommt nicht zur Anzeige, wenn es dafür keine Pflicht gibt. Hält eine betroffene Person die Situation nicht mehr aus und verlässt die Organisation, verliert sie ihre Familie und Freunde. Sie muss sich entscheiden: Weiterhin mit dem Täter die Versammlung zu besuchen oder alle geliebten Menschen zu verlieren.

Das Blutverbot tötet

Zeugen Jehovas dürfen keine Bluttransfusionen akzeptieren, auch dann nicht, wenn diese lebensrettend wäre. Das gilt auch für Kinder, weshalb viele Staaten lebensrettende Maßnahmen für Kinder gesetzlich regeln. Erwachsene Zeugen Jehovas hingegen können das Blutverbot nicht umgehen, willigt eine betroffene Person in eine Transfusion ein, gilt sie als freiwillig ausgetreten. Kann sie nicht genügend Reue beweisen, bleibt sie ausgeschlossen und wird geächtet. Es bleibt ihr die Wahl zwischen sozialem Tod und der Gefahr des physischen Todes.

Wahrheitsbeweis: Ächtung, Zwei-Zeugen-Regel und Todesfälle durch „Blutverbot“

Der Wachtturm-Opfer-Gedenktag ist auch deshalb wichtig, weil die Wachtturm-Organisation die oben genannten Fakten bestreitet und versucht, Kritiker mit Strafverfahren mundtot zu machen. In der Schweiz wurde am 9. Juli 2019 vom Bezirksgericht Zürich in einem aufwändigen Verfahren festgestellt, dass diese drei Kritikpunkte – Ächtung auch innerhalb der Familie, Zwei-Zeugen-Regel auch bei Kindesmissbrauch, Todesfälle wegen des Bluttransfusionsverbotes – mit dem Wahrheitsbeweis erwiesen seien, was zu einem vollständigen Freispruch vom Vorwurf der Ehrverletzung führte. Die Zeugen Jehovas haben Berufung angekündigt, weshalb das Urteil noch nicht rechtskräftig ist.

Grundrechte gelten für alle, auch für Zeugen Jehovas, die austreten wollen! Kein Mensch soll wählen müssen zwischen seinem Glauben und seinen Liebsten, seiner psychischen und physischen Integrität oder seinem Leben.

Aktion in Berlin

JZ Help e.V. und der Goldene Aluhut sind mit einem Stand auf dem Alexanderplatz. Wir informieren, suchen das Gespräch mit Passanten und gedenken der Opfer.

Von JZ Help stehen Stefan Barnikow (10.00-18.00 Uhr) und Thomas Brand (ab 16.00-18.00 Uhr) gerne für Auskünfte zur Verfügung, ebenfalls Sophie Jones, Betreiberin eines  YouTube-Kanals (10.00-18.00 Uhr). Auch unser Vereinsmitglied Oliver Wolschke, Autor und Betreiber des gleichnamigen Blogs, wird am Stand sein.

Giulia Silberberger vom Goldenen Aluhut, selbst auch in der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas aufgewachsen, steht von 10-15 Uhr für Auskünfte zur Verfügung.

Video-Aktion

Im Rahmen des diesjährigen Wachtturm-Opfer-Gedenktages hat der Verein JZ Help diese Video-Aktion mit kurzen Statements von Ausgestiegenen, Angehörigen und Fachpersonen initiiert.

Vor Ort können Stand-BesucherInnen das Aktionsvideo weiterführen mit ihren Statements. Die Aktion dauert an solange es Ächtung gibt.

Weitere Auskünfte:
info(at)jz.help