Psychotherapie – Was beachten / Suche nach Angebot

Viele AussteigerInnen – ob sie nun gerade im Ausstieg begriffen sind oder dieser schon eine Weile zurückliegt – profitieren von einer Psychotherapie. In der Situation des Ausstiegs geht es um die Begleitung dieser krisenhaften Lebenssituation. Aber auch wenn es um das Finden seines Weges außerhalb der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas geht, ist eine Psychotherapie für viele Betroffene hilfreich.

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Psychologische PsychotherapeutInnen, außerdem Hinweise, worauf es bei der TherapeutInnen-Wahl zu achten gilt.

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Weshalb Psychotherapie sinnvoll sein kann

Nicht erleben dürfen, wer man ist

Es gehört zum Aufwachsen in der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas, dass man nicht richtig herausfinden darf, was man tatsächlich fühlt, zu etwas denkt oder für sich selbst möchte – sprich, was einen als Mensch, ausmacht, wer man ist. Dies, weil man nicht lernt, sich eine eigene Meinung zu bilden und viele Gefühle so unangemessen erscheinen, dass man sich schämen muss – was die kindliche Entwicklung stört. Dazu kommt, dass wer verbotene Gefühle, Gedanken oder Strebungen hat, mit Vernichtung rechnen muss: körperlicher in Harmagedon oder sozialer durch Ausschluss.

Ankonditionierte Angst

Im Zentrum der Doktrin der Zeugen Jehovas steht die baldige Vernichtung bei Harmagedon. Diese Angst wird regelrecht konditioniert: Bereits Kleinkinder werden mit der Vorstellung eines nach Vernichtung strebenden Gottes verängstigt und durch das Konzept von unberechenbaren Dämonen verstört. Solche Ängste können AussteigerInnen lange verfolgen, auch wenn sie den Glauben schon längst nicht mehr teilen. Oft scheinen solche Ängste auch in krisenhaften Lebenssituationen wieder auf. Eine Therapie kann dabei unterstützen, mit diesen Ängsten umzugehen.

Überforderung …

Typisch für sektenhafte Gruppen wird von Zeugen Jehovas ein übermäßiger Einsatz für den Glauben gefordert, nach eigenen Angaben 17.5 Stunden pro Woche. Doch trotz Dauerbeschäftigung für die eigene Nicht-Vernichtung können Betroffene auf ihr tatsächliches Geschick kaum Einfluss nehmen: Sie sind ausgeschlossen von politischer Partizipation, gesellschaftlichem Engagement und oft auch befriedigender beruflicher Entwicklung. Viele sind in einer früh geschlossenen Ehe gefangen oder müssen den Kontakt zu Menschen abbrechen, die sie lieben.

und Kleinhalten statt Selbstwirksamkeit

Zu alledem kommt eine Doktrin des Kleinhaltens: Gedanken, die normal sind, werden als sündig, natürlich Strebungen als unchristlich und krankmachende Vorgaben als normal dargestellt. Es ist unmöglich, diesem Jehova je ganz zu gefallen, und wer das nicht schafft, droht vernichtet zu werden oder aus der Gemeinschaft zu fallen. Diese dauernde Drohung von Vernichtung und Ächtung bei gleichzeitigem Gefühl, nie genügen zu können und wenig Einfluss auf das eigene Leben zu haben, ist nicht gesundheitsförderlich und beeinträchtigt eine positive Selbstwahrnehmung.

Eine Psychotherapie gibt den Raum darüber nachzudenken, wie Vorgaben der Gemeinschaft Annahmen über sich und das eigene Leben beeinflussen und hilft Strategien zu entwickeln, wenn man diesbezüglich etwas ändern will.

Wichtig bei der Wahl von TherapeutInnen

Qualifikation von TherapeutInnen

Wichtig bei der Wahl von TherapeutInnen ist deren Qualifikation. Es soll sich unbedingt um Fachpersonen handeln, die ein Psychologie- oder ein Medizinstudium und danach eine anerkannte Psychotherapieausbildung absolviert haben. Von AnbieterInnen ohne diese Qualifikationen raten wir ausdrücklich ab!

Spezialisierung von TherapeutInnen

Ob man besser einen Therapeuten oder eine Therapeutin mit einem psychologischen oder medizinischen Hintergrund wählt, hängt von den Beschwerden ab. Äußern sich diese auch stark körperlich, dann empfiehlt es sich, sich an eine Fachärztin bzw. Facharzt für psychosomatische Medizin mit psychotherapeutischer Ausbildung zu wenden. Wenn psychiatrische Krankheitsbilder wie Psychosen im Vordergrund stehen, ist ein/e PsychiaterIn die Ansprechperson der Wahl. Bei Depressionen oder Ängsten können sowohl medizinische als auch psychologische TherapeutInnen konsultiert werden. Psychologische TherapeutInnen werden, falls das indiziert ist, mit einer medizinischen Fachperson eine notwendige Medikation koordinieren.

Die therapeutische Beziehung ist die Grundlage für jede Verbesserung und jeden Fortschritt. Es muss einem deshalb grundsätzlich wohl sein, man muss dem Gegenüber vertrauen können, nur dann kann die Therapie gelingen. Aus diesem Grund gibt es in Deutschland die Möglichkeit, bis zu fünf Probesitzungen zu vereinbaren.

Wissen von TherapeutInnen zu Zeugen Jehovas bzw. sekenhaften Gruppen

Eine Therapeutin bzw. ein Therapeut sollte erfassen, wie extrem eine Gruppe ist, welche ihren Mitgliedern den Kontakt zu Ausgeschlossenen verbietet und ihnen nicht erlaubt, eine Bluttransfusion zu akzeptieren.

In der Regel lernen TherapeutInnen durch ihre PatientInnen, welche Folgen die Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas für sämtliche Lebensbereiche einer Person hat. Wenn sie oder er das nicht nachvollziehen kann, ist es ratsam zu wechseln.

Der Verein JZ Help e.V. bietet für TherapeutInnen und andere Fachpersonen Schulungen und Coachings an.

Menschen aus sektenhaften Gruppen – Hilfestellungen für Fachpersonen

Die Therapeutin Bonnie Zieman, selbst als JZ aufgewachsen, ist spezialisiert auf die Situation von Menschen aus sektenhaften Kontexten. Sie hat für TherapeutInnen von Betroffenen dieses Handout als Hilfestellung verfasst. Es wurde von JZ Help e.V. auf Deutsch übersetzt.

Pressestimmen

Sekten: Für Aussteiger fehlt oft therapeutische Hilfe
Sektenaussteiger stehen unter großem sozialen und emotionalen Druck. Damit ein Ausstieg gelingt, braucht es oft psychologischen Beistand – und Therapeuten mit Einblick in das Funktionieren religiöser Sekten. Das Bewusstsein dafür wächst nur langsam.
Interview mit Udo Obermayer, Vorstand JZ Help e.V.
BR24, 29.07.2021